Ansichten eines Informatikers

Das Deutsche (Not-)Abitur

Hadmut
14.1.2019 22:17

Über die Hochschulreife.

Zu meiner Zeit war das Abitur der Nachweis der sogenannten „Allgemeinen Hochschulreife”.

Und das hat auch wirklich so funktioniert. Wer von uns damals das Abitur geschafft hat – und das waren durchaus nicht alle, zumal damals schon nicht alle auf das Gymnasium gegangen sind, und davon wieder manche auf Gesamt- oder Realschule gewechselt haben oder nach der 10. Klasse mit mittlerer Reife gegangen sind – der konnte einfach so an die Universität gehen, sich einfach so in den Hörsaal setzen und ab der ersten Woche Vollgas losstudieren. Da konnte man direkt weitermachen. Spaß gemacht hat es obendrein.

Solche Zwischenkurse, um die Lücke zwischen Abitur und Erstsemesteranforderungen zu füllen, gab es damals einfach nicht. Auf die Idee wäre niemand gekommen. Es brauchte auch niemand.

Die ersten Auswirkungen habe ich in meiner Zeit als Tutor gemerkt, als wir nämlich in den Tutorien Frauen sitzen hatten, die sich in ein Informatikstudium stürzten, weil Frauen jetzt einfach alles können, vorher aber in der Oberstufe alles Technische möglichst abgewählt hatten. Die Frage, warum jemand, der nach der 10. Klasse nichts eiligeres zu tun hat, als die verhassten Technik-Fächer loszuwerden, sich drei Jahre später in ein Informatikstudium stürzt, konnte mir nie jemand beantworten. Faktisch haben wir da ab und zu den Oberstufenstoff wiederholen müssen. Das hätte man an der Schule einfacher haben können. Aber das waren Einzelfälle, das war kein genereller Trend.

Inzwischen beklagen viele Professoren, dass die Abiturienten gar nichts mehr können. (Was andersherum oft auch berechtigt wäre.) Und dass sie das, was ihnen fehlt, nicht mal mehr lernen können, weil sie lernen auch nicht können.

Andererseits steht heute jedem, der so gar nichts kann, eine glänzende Karriere in den Geisteswissenschaften offen. Erdbeerpflücken für Promovierte.

Zynisch könnte man sagen, es habe sich an der Hochschulreife doch gar nichts geändert: Die Abiturienten werden immer dümmer, aber die Anforderungen an den Unis sinken auch immer mehr. Es bleibt dabei, dass man mit dem Abi in die Uni kommt. Dafür gibt es ja dann das bedingungslose Grundeinkommen.

Sowas wie eine psychotherapeutische Behandlung, was die da heute standardmäßig brauchen, um nicht durchzudrehen und sich selbst noch ertragen zu können, Klapsmühlbehandlung als ständige Universitätsleistung, hätte es bei uns damals nie gegeben. Psychotherapie brauchten wir nicht. Und wenn doch, wurde das in der Kneipe geregelt. Dachschäden hatten wir nicht. Dieser ganze Bekloppten-Kult mit Safe Spaces und 97 Geschlechtern und dem ganzen Quatschen hatten wir nicht, und deshalb ging’s uns prima.

Auf zwei Medienbeiträge möchte ich da eingehen.

SPIEGEL Online berichtete – passend zum SPIEGEL-Leser – über eine Lehrerin, die aus ieologischen Gründen nur noch gute Noten gibt. Jeder bekommt gute Noten, jeder kommt durch, jeder bekommt Abitur.

Ein Grund sind – sie deuten es indirekt an – Migranten:

“Vor zwei Jahren hatte ich einen Schüler in meiner Lerngruppe – nennen wir ihn Tarik – der das Schuljahr wiederholen musste, weil er durchs Abi gefallen war. In einer Übungsstunde vor der letzten Abiturprüfung ahnte Tarik, dass es wieder eng werden würde und war besorgt: ‘Wenn ich es jetzt wieder nicht schaffe, werden meine Eltern das nicht verkraften, sie werden mich nicht mehr akzeptieren und rauswerfen. Ich hab Angst, dass ich in ein Loch falle und nicht rauskomme, dass ich kriminell werde…’

Es gab mal eine Zeit, so zu meiner Zeit, da wurde jemand ohne Abitur nicht kriminell, sondern ergriff einen ordentlichen Beruf an der Berufsschule oder sowas. Der hat dann eben die passende Beamtenlaufbahn (hieß das nicht mittlere oder sowas?) eingeschlagen oder ein Handwerk oder einen Verwaltungsberuf oder irgendeinen Fachangestellten gelernt. Das war mal völlig normal, kein Abitur zu haben.

Inzwischen aber hat man erst alles durchakademisiert und dann mit bildungsfernen Schichten geflutet, und das eine und das andere passen halt irgendwie nicht zusammen.

Tariks Familie war aus dem Krieg gefloen.

Was mich an die Kriegs- und Nachkriegszeit in Deutschland erinnert. Damals gab es das Notabitur. Erst weil man die Schüler schon mit 16 als Flakhelfer brauchte, dann weil die Lehrer tot waren. Offiziell gab es das nur zu Kriegszeiten, aber mir wurde aus verschiedenen Quellen erzählt, dass das nach dem Krieg auch so war. Alles zerstört, kaum Lehrer, Wiederaufbau, da gab es damals das Abitur auch hinterhergeworfen, sogar die Diplome, und wie ich hörte auch die Autoführerscheine. Man musste eben ein Land so schnell wie möglich wieder mit Personal besetzen. Aber das hat auch wieder geendet, zu meiner Zeit war das alles wieder in Ordnung.

Und damals hat man das gemacht, weil man die Leute dringend brauchte. Heute macht man es, weil man nicht weiß, wohin mit den Leuten. Und dass Geisteswissenschaftliche Studiengänge oft auch nur noch den Zweck haben, dass sich Lebensarbeitslose erst mit 40 arbeitslos melden, ist auch bekannt. Schönt die Statistiken, weil Immatrikulierte erstens in den Arbeitslosenstatistiken nicht auftauchen und sich zweitens wichtig fühlen. Irgendwo gibt es die am längsten immatrikulierte Studentin, die ist ungefähr mein Jahrgang. Wäre interessant zu untersuchen, ob sich das für den Staat günstiger als die gleiche Zeit Hartz IV dargestellt hat.

Im Kulturkreis seiner Familie ist es undenkbar, das Abitur nicht zu schaffen.

Ja… wir wollen ja weltoffen sein.

Ich habe das Gefühl, dass ich durch die Notengebung meiner Aufgabe, die Schüler beim Lernen zu unterstützen, nicht mehr genug nachkomme. Als mir das klar wurde, beschloss ich, meine Notengebung umzustellen. Seitdem gibt es in meinem Unterricht nur noch gute Noten: Jeder bekommt eine Studienberechtigung. Gleichzeitig mache ich meinen Lerngruppen die hohen Anforderungen eines Studiums bewusst und berate jeden persönlich.

Wie bedingungsloses Grundeinkommen und gleiche Gehälter gegen Pay Gap: Jeder, der noch was leistet, kommt sich verarscht vor.

Und das ist der Brüller:

Da die Noten als Druckmittel wegfallen, ist keine Schülerin und kein Schüler mehr dazu gezwungen, sich mit bestimmten Unterrichtsinhalten auseinanderzusetzen oder sich an etwas anzupassen. Ich muss nun also andere Wege finden, wenn ich möchte, dass sich die Schüler mit einem Thema beschäftigen. Das ist manchmal anstrengend. Aber vor allem macht es ganz viel Freude.

Man gibt den Leuten Abitur, will aber gleichzeitig nicht, dass sie gezwungen wären, sich mit bestimmten Unterrichtsinhalten auseinanderzusetzen.

Da wird das Abitur nur noch als Eintrittskarte und nicht mehr als Befähigung aufgefasst.

Ich kann mich nun endlich darauf konzentrieren, sinnstiftende Fachinhalte interessant zu vermitteln, weil ich nicht mehr darüber nachdenken muss, ob genug fair überprüfbarer Lernstoff darunter ist.

Sinnstiftend.

Die redet von sinnstiftend.

Die Autorin ist Lehrerin an einer Schule in Nordrhein-Westfalen.

Kein Wunder, dass so viele Abiturienten Probleme mit Lesen und Schreiben haben.

Warum macht man das überhaupt noch? Warum ist der Uni-Zugang nicht auch „bedingungslos” und für jeden da? Wofür gibt man dann überhaupt noch Noten, Zeugnisse, Nachweise? Da kann man es doch gleich bleiben lassen.

Ein passender Kommentar zum Abitur kommt aus der Schweiz „Das deutsche Abitur ist der neue Hauptschulabschluss”:

Gut, die ETH Zürich für eine seriöse Universität zu halten, ist auch ein naiver Trugschluss, aber im Vergleich zu Deutschland stehen die Schweizer immer noch sehr gut da.

Ich habe inzwischen, wie oben schon angesprochen, den starken Eindruck, dass Abitur-Studium-Promotion nur noch ein Verwahrverfahren für Leute ist, mit denen man von vornherein nichts anzufangen weiß.

Würde man die alle in ein Ghetto stecken, gäbe das enormen Zoff.

Würde man die alle auf Hartz IV setzen, wäre das Frust, Suff und Langeweile, politisch gefährlich und finanziell teuer.

Also hat man sie auf Geisteswissenschaften studieren und promovieren lassen, dann kommen sie sich gut vor und sind eine Weile beschäftigt. Irgendwann sind aber alle Zimmer an den Unis voll mit Geisteswissenchaftlern, da half auch die Frauenquote nur vorrübergehend.

Und dem ganzen Rest verspricht man jetzt das Bedingungslose Grundeinkommen, damit die Leute machen können, was ihnen Spaß macht.

Auf Deutsch: Wir wissen ja auch nicht, was Du arbeiten könntest. Also beschäftigte Dich einfach mit irgendwas, wirst schon was finden, das Geld bekommst Du von uns.

Das ist von der Wiege bis zum Grab nur noch eine Durchverarsche Überflüssiger und derer, die sie ernähren müssen.