Ansichten eines Informatikers

Das menschliche Gefühl

Hadmut
28.9.2018 20:15

Da fasst man sich echt an den … nee, ich bin mir noch nicht sicher, welches Körperteil da aqäquat ist.

Ein Leser weist mich auf ein Video hin, in dem ein Politiker mit einem Demonstranten spricht. Ich hatte ja neulich schon dieses Video von dem, der durch eine Horde Bekloppter einen Spießrutenlaufe zu einer Sitzung laufen musste. Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, macht da ein AfD-Politiker den Reporter und interviewt Teilnehmer einer Anti-AfD-Demo zur Lage von allem und überhaupt.

Wichtige Anmerkung: Was mich an dem Video sehr stört und es deshalb als Beleg eigentlich unbrauchbar macht, ist, dass es zwischendrin, wenn man genau hinschaut, fast unmerkliche Schnitte gibt. Das Gespräch ist also nicht mehr original. Ich schreibe jetzt mal unter der (widerleglichen) Annahme, dass das Gespräch halbwegs wahrheitsgemäß wiedergegeben ist.

Irgendwie trifft er da auf einen jungen Mann, der auch filmen will, und dann filmen die sich gegenseitig, und dann geht es um das Thema Überbevölkerung in Afrika. Ob es die gibt oder nicht.

Er (junger Mann) meint, die gäbe es nicht, weil Afrika doch groß genug wäre. Da sei doch viel Platz. Auf die Frage nach Nahrung will er sich nicht einlassen. Aussage:

Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass wir niemals den 12-milliardsten Menschen auf der Welt sehen werden.

Was ich für wirklich knalledumm halte. Denn erstens kann man sowas kaum wissenschaftlich beweisen. Wie will die Wissenschaft „beweisen”, dass wir nicht 12 Milliarden werden können, wenn wir bisher schon flott auf die 8 zugingen und uns in wenigen Jahren schon verdoppelt haben?

Die allgemeine Klärgrupe Wikipedia liefert dazu jenes Bild, was zumindest dahingehend hinkommt, dass die Weltbevölkerung während meiner Kindheit noch bei um die 4 Milliarden war. Wenn sie sich aber während nur meiner bisherigen Lebenszeit schon fast verdoppelt hat, was sollte sie dann davon abhalten, noch weitere 50% draufzupacken? Wenn man dieser Graphik folgt und ein Bevölkerungswachstum von 1,5% im Jahr unterstellt, würde die Welt für einen Anstieg von 8 auf 12 Millionen (Logarithmenrechnung: log(12/8) / log(1.015)) 27 Jahre brauchen. Das könnte ich also noch erleben. (Ob ich das will ist eine andere Frage.)

Könnte aber auch schneller gehen, wenn durchgeknallte Milliardäre wie Bill Gates durch die Welt ziehen und alles tun, um die medizinische Versorgung zu verbessern.

Wenn also alle Menschen der Welt sich paarweise zusammentun und etwas mehr als ein Kind bekommen, und zwar so schnell, dass sie sich von zwei auf drei vermehren und die Sterberate ausgleichen, dann sind wir bei 12 Milliarden. Gut, das reicht so nicht, weil es ja Kinder, Kranke, Alte gibt, die sich nicht vermehren, aber dafür gibt es andere, die pro Jahr mindestens ein Kind produzieren. Wie also sollte es „wissenschaftlich bewiesen” sein, dass wir keine 12 Milliarden Menschen werden?

Dies wäre nur darüber beweisbar, dass man nachweist, dass es so an Ressourcen fehlt, dass die Menschheit sich nicht auf 12 Milliarden vermehren kann. Weil es an Nahrung, Wasser, sonst irgendwas fehlt. Und sie deshalb etwa bei 9 oder 10 Milliarden schlichtweg wegverhungern.

Das wäre natürlich denkbar, sowas könnte man wissenschaftlich leisten.

Nur: Wenn die Oberkante bei 9 oder 10 Milliarden wäre und das so hart, dass wir niemals die 12 Milliarden erreichen können, dann haben wir doch jetzt schon bei 8 Milliarden die Überbevölkerung. Es ist doch eine völlig bescheuerte Aussage zu sagen, dass wir keine Überbevölkerung bekommen können, weil wir die 12 Milliarden nicht mehr erreichen können, weil das das Gegenteil heißt, nämlich dass wir schon im oberen Bereich der Weltbevölkerung sind.

Zumal mir noch niemand erklären konnte, warum wir überhaupt 8, 10 oder 12 Milliarden werden sollten. Gefühlte 4 Milliarden Leute sitzen völlig nutzlos irgendwo in Armut und Dreck und hungern vor sich hin, ohne jemals irgendetwas sinnvolles zu tun. Aber produzieren CO2 und den endlosen Plastikmüll im Meer. Wozu soll das gut sein?

Eine häufige Antwort: Weil jeder das Recht hat, sich zu vermehren.

Ach. Auch mit 5 oder 8 oder 10 Kindern?

Wenn das das Menschenrecht ist, wo bleibt dann dieses Menschenrecht, wenn wir bei 10 Milliarden sind? Wenn wir uns jetzt vermehren wie bekloppt, aber Knalltüten es als bewiesen hinstellen, dass wir niemals die 12 erreichen werden, dann muss da ja mal irgendwann die große Kinderlosigkeit einsetzen, irgendwo muss ja der Knick herkommen. Haben die dann nicht das Recht auf Fortpflanzung?

Der Politiker fragt dann: „Ist es richtig, dass Afrika jede Woche um 1 Million Menschen wächst?” (Wahrscheinlich meint er „Ist es zutreffend…” und nicht „Finden Sie es richtig…”) Da sagt er dann, da frage man mit ihm den Falschen, er will aber trotzdem wissen, dass es keine Überbevölkerung gibt.

Und dann der Brüller: Bei 1:30 sagt er:

…weil meine Meinung beruht auf einem menschlichen Gefühl! […]

Das ist aber auch wirklich wichtig, weil ich finde, dass wofür Sie stehen, da fehlt dieses menschliche Gefühl.

Über Politik nach Gefühl kann man sich so seine Meinung bilden, aber besser ist, dass derselbe junge Mann bei 4:17 sagt:

Leute, deren Meinung nicht auf Fakten beruht, sondern auf Emotionen, kann man mit Fakten nicht überzeugen.

Nachdem der andere ihm vorhielt, dass Afrika ständig wächst und sich jetzt schon nicht mehr selbst ernähren kann. Obwohl er selbst überhaupt nichts an Fakten vorzutragen weiß.

Also wenn das Video jetzt nicht ein Fake oder verfälschend zusammengeschnitten ist, dann ist dieser junge Mann da ein ziemlicher Idiot und widerspricht sich innerhalb eines Gespräches diametral selbst.

Also wir waren damals nicht so blöd. Wir waren nicht auf diesem Emotionstrip, und wir hätten uns auch nicht so selbst widersprochen. Und nicht so dummes Zeug dahergeredet.

Vergleicht aber auch mal Körperhaltung, Gestik, Mimik, Sprechweise.

Und das ist kein Einzelfall. Sowas sehe ich häufig. Die sind heute so blöd.