Ansichten eines Informatikers

Über syrische Schauspieler und kretische Lügner

Hadmut
9.9.2018 11:55

Seit gestern laufen bei mir jede Menge Hinweise ein,

wonach zwei von Focus Online in Die-armen-Ausländer-in-Chemnitz-Videos vorgestellte Chemnitzer Opfersyrer Dimon Alawad und Thaer Ayoub Teilzeitschauspieler in einem – noch dazu öffentlich geförderten – Chemnitzer Theater seien. Beide auch noch in derselben Theatergruppe. Was für ein Skandal. Focus Online führe uns hier Berufsschauspieler als Opfer vor.

Veranlasst bei mir nicht mehr, als ein kurzes Heben einer Augenbraue.

Ich schreibe das jetzt nur um zu signalisieren, dass mir der Vorgang bekannt ist und es keiner weiteren Hinweise mehr bedarf.

Ich habe nun wirklich genug über Schauspieler geschrieben, um darzulegen, dass Schauspieler, vor allem was polistische Äußerungen, Bildung und Glaubwürdigkeit angeht, in meiner Achtung sehr weit unten stehen. Man kann Schauspielern wenig glauben.

Man begeht aber einen Denkfehler, wenn man unterstellt, dass Schauspieler automatisch immer lügen und schauspielern. Würde einer immer lügen, dann wäre er kein Lügner, denn dann könnte man sich ja darauf verlassen, dass seine Aussagen immer falsch und damit eine wahre Aussage über das Komplement wären. Die meisten Leute unterliegen dem Denkfehler, dass ein Lügner einer sei, der immer und zuverlässig, krankhaft-notorisch lügt. Das ist falsch.

Ein Lüger im informationstheorisch harten Sinne ist einer, dessen Aussage keinerlei Rückschluss auf die Wahrheit zulässt, der also genaugenommen zwar viel redet, aber keinen Informationsgehalt von sich gibt. Einer, bei dem man nie weiß, ob er lügt oder die Wahrheit sagt. Der also einfach zufälliges Zeug redet, das auch mal stimmen kann. Ginge es etwa um eine Informationsquelle mit zwei Werten, die je 50% Wahrscheinlichkeit haben (1 bit), dann würde der Lügner nicht immer das Gegenteil dessen sagen (dann müsste man es ja nur einfach nochmal rumdrehen und hätte wieder die Originalquelle), sondern er würde in 50% mit der Quelle übereinstimmen und in 50% nicht. Dem Lügner zuzuhören würde also keinen Aufschluss über die Quelle geben. Das ist wie bei Schauspielern, Journalisten und Politikern: Bei denen kann man sich ja auch nicht darauf verlassen, dass es wenigstens zuverlässig falsch wäre, was sie sagen, sondern man hört ihnen zu und weiß hinterher überhaupt nicht, was stimmt und was nicht.

Der Hintergrund solcher Gedankengänge liegt übrigens nicht nur in der Informationstheorie (siehe Claude Shannon, im Gegensatz zu Geisteswissenschaftlern folgt man ihr aber nicht, weil irgend eine Autorität als Leithammel, als Guru das so verkündet hat, sondern weil es sich nachprüfen, nachrechnen, empirisch belegen und beweisen lässt), wo man Informationskanäle auf ihren Gehalt untersucht, und in denen man strukturell drei Arten von Informationen findet, sofern man es schafft, sie klar zu trennen, nämlich a) die Quellinformation, b) Redundanz als eigentlich „überflüssige” aber manchmal nützliche Wiederholung der Quellinformation und c) Rauschen oder Fehler, die Fremdinformation darstellen, die mit der Quelle nichts zu tun hat. Jemand, der immer die Unwahrheit sagt, wäre nahe an a). Ein Lügner ist aber einer, der im wesentlichen c) schwätzt.

Der Hintergrund solcher Gedankengänge liegt besonders in der Kryptographie (als eine Unter- oder Teildisziplin der Informationstheorie), bei der nämlich genau solche Überlegungen ein zentraler Bestandteil des Entwurfs von Kryptosystemen sind: Welchen Rückschluss lässt das Chiffrat ohne Kenntnis des Schlüssels auf die Quelle zu? Welche Information lässt ein Challenge-Response-Beweis auf das zugrundeliegende Geheimnis zu? Ein Stichwort dazu: Zero-Knowledge-Beweise, in denen es darum geht, dass der, dem gegenüber man etwas nachweist, dadurch beweisbare nichts erfährt, er also über das Geheimnis nicht mehr weiß als vorher. Kryptographie ist also auch die Kunst, so richtig zu lügen.

Die Geschichte der Kryptographie zeigt uns einige Beispiele, in denen das mit dem Lügen nicht so richtig geklappt hat. Beispielsweise beim Jefferson Wheel, wo sich der Fehler im Lügen noch nicht so ganz dramatisch ausgewirkt hat, weil die Angreifer noch keine Rechenleistung hatten und nicht so großflächig systematisch angegriffen haben, aber kryptographisch fatal war es im zweiten Weltkrieg. Da wurde nämlich die legendäre Enigma gebrochen, und zwar von Marian Rejewski und Alan Turing. Rejewski wird aber fast nie erwähnt, weil er nicht schwul war. Turing und Shannon kannten sich aber, und auch Shannon war ja in der Kryptographie unterwegs, denn moderne Kryptographie und Informationstheorie gehören nicht nur zusammen, sondern sind eigentlich in weiten Teilen untrennbar.

Jefferson Wheel und Enigma hatten beide dieselbe kryptographische Schwäche: Sie konnten nicht richtig lügen.

Beide Geräte waren nämlich so (fehl-)konstruiert, dass sie einen Buchstaben niemals mit sich selbst verschlüsseln konnten. Stand im Klartext ein V, konnten im Chiffrat alle 25 anderen Buchstaben stehen, aber eben kein V.

Wenn im Chiffrat ein V stand, dann wusste man somit, dass im Klartext an dieser Stelle kein V stehen konnte. Mit jedem Zeichen des Chiffrats bekam man also einen Informationsteil von 1/26 Buchstaben über den Klartext. Das hört sich nicht nach viel an, aber es läppert sich enorm mit jedem Buchstaben.

Beispiel: Man empfängt morgens um 6 Uhr einen Funkspruch, den man nicht versteht. Wenn man weiß, dass der Sender jeden Morgen eine Wetterübersicht schickt, dann versucht man es: Man schreibt direkt darunter WETTERUEBERSICHT und schaut, ob irgendein Buchstabe übereinstimmt. Stimmt einer überein, dann weiß man, dass da nicht WETTERUEBERSICHT gestanden haben kann. Passt aber kein Buchstabe, dann könnte da WETTERUEBERSICHT gestanden haben, vielleicht war es aber auch nur zufällig kein Treffer. Die Wahrscheinlichkeit bei einem Buchstaben, zufällig einen anderen erwischt zu haben, also etwa beim Raten von W keine Kollision zu haben, obwohl im Quelltext kein W steht, ist 25/26. Also zufällige Text-Kollision. Berücksichtigt man, dass ja auch der Buchstabe des Chiffrats ausgeschlossen werden kann (wenn im Chiffrat ein B steht, kann im Quelltext dort kein B stehen, sind es sogar nur 24/25). Damit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass man nur zufällig keine Kollision hatte und falsch geraten hat, bei stattlichen 96%. Bei den 16 Buchstaben von WETTERUEBERSICHT sinkt die Wahrscheinlichkeit einer nur zufälligen Kollision (24/25)^16 schon auf 52%. Wenn alle Buchstaben gleich verteilt wären. Weil aber in der Sprache nur wenige Buchstabenkombinationen existierende Wörter sind, reicht das eigentlich schon für einen Treffer. So wurde die Enigma geknackt und der zweite Weltkrieg vielleicht nicht entschieden, aber doch sehr wesentlich verkürzt. Der Weltkrieg wäre anders verlaufen, wenn die Enigma beim Verschlüsseln Buchstaben auch auf sich selbst hätte abbilden können, wenn also ein verschlüsseltes M auch hätte ein M sein können.

Deshalb ist es so wichtig verstanden zu haben, dass ein Lügner keiner ist, der immer lügt, sondern einer, bei dem man nie weiß, ob er gerade lügt.

Alle Kreter lügen

Kennt Ihr das Paradoxon des Epimenides?

Es hat einer von ihnen gesagt, ihr eigener Prophet: Die Kreter sind immer Lügner, böse Tiere und faule Bäuche.

Ein paarhundert Jahre vor Christus gesagt, und seither gilt es als wohliges Musterparadoxon gegen die Logik, an dem sich Generationen von Philosphen genüsslich den Hintern schrubberten.

Weil Philosophen strohdoof und mit Informationstheorie schlicht überfordert sind, sich aber mit populistischem Geschwätz wichtig machen wollen.

Seit 2500 Jahren hat keiner gemerkt, dass die Aussage eben kein Selbstwiderspruch ist. Selbstverständlich kann ein Kreter sagen, dass sie immer alle Lügner seien. Daraus kann nur man nur schließen, dass sie nicht alle immer die Wahrheit sagen, weil’s dann ein Selbstwiderspruch wäre. Wenn sie alle Lügner sind, dann kann auch er als Lügner sagen, weil er als Voll-Lügner ja nicht zur Unwahrheit verpflichtet ist, sondern zur Lüge: Also nur manchmal die Unwahrheit zu sagen. Dann hat er hier eben mal die Wahrheit gesagt. Und wenn nur er ein Lüger ist, dann passt’s auch, dann hat er eben gerade mal gelogen.

Solches pseudologische pulistische Geschwätz, an dem man sich den Hintern, aber nicht das Hirn schrubbern kann, ist auch heute sehr verbreitet. Da ziehen die Philosophen auch durch die Talkshows und blubbern, um sich wichtig zu machen, immer wieder die Frage daher, ob ein selbstfahrendes Auto denn lieber das kleine unschuldige Mädchen oder die drei fiesen Omas umnieten solle. Und keiner, wirklich keiner merkt, dass die Frage an sich schon unlogisch und selbstwidersprüchlich ist. Weil die alle emotional denken. Mein Gott, das arme unschuldige Mädchen. Moral statt Logik. Aber: Es reicht, um es als populistisches Thema endlos in Talkshows und Zeitungsartikeln zu wiederholen, weil Talkshows und Journalisten eben genauso doof wie Philosophen sind. Und zwar ziemlich.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Lügner und einem Dummen ist übrigens, dass der Lügner auch die Wahrheit sagen kann, aber der Dumme nichts Schlaues.

Ob er Politiker für Lügner oder Dumme hält, wird dem Leser zur Übung überlassen.

Das hat zwei enorme Konsequenzen:

  1. Ich bin so froh, dass ich Informatiker und nicht Geisteswissenschaftler bin.
  2. Auch aus dem Umstand, dass die beiden Syrer Schauspieler sind, folgt selbst dann, wenn man die Prämisse vorbehaltlos akzeptiert, dass alle Schauspieler – wie Kreter – Lügner seien, noch lange nicht, dass die Kreter Syrer hier gelogen – präziser: die Unwahrheit gesagt – hätten. Es folgt nur, dass man nicht weiß, ob es stimmt.

Anders gesagt: Nur weil Schauspieler Lügner sind, würde daraus nicht folgen, dass sie Mütter nur dann spielen, wenn sie selbst keine Kinder haben, damit es eine Lüge ist. Man kann aus dem Umstand, dass eine Schauspielerin eine Mutter spielt, keine (oder kaum) Rückschlüsse darauf ziehen, ob sie selbst Kinder hat.

Oder nochmal anders gesagt: Man kann einen Schauspieler nicht erschießen und argumentieren, dass der ja nach dem Vorhang wieder aufsteht. Auch wenn sie noch so lügen, kann man sie trotzdem erschießen und dann sind sie tot. (Der von manchen geäußerten Auffassung, dass man sie erschießen sollte, schließe ich mich zumindest für den allgemeinen Fall ausdrücklich nicht an.)

Oder um es nochmal anders zu sagen: Dass die beiden sich kennen und sie beide im gleichen Theater schauspielern, halte ich per se noch nicht für einen Beleg einer Unwahrheit. Das ist ja sogar naheliegend, dass wenn die zweie interviewen, sie welche finden, die sich kennen und damit irgendetwas zusammen machen.

Auch den Umstand, dass sie „vom Staat bezahlt” würden, also etwas machen, was wenig Nutzen hat, aber vom Steuerzahler finanziert wird, finde ich nicht überraschend, sondern es entspricht eher meiner Erwartungshaltung. Tun das nicht mehr oder weniger die allermeisten?

Und das sich ausgerechnet Künstler, Geisteswissenschaftler und andere Nutzensreduzierte auf solchen Veranstaltungen herumtreiben, halte ich für naturgemäß.

Bei mir wären die Alarmglocken angegangen, wenn die gesagt hätten, dass die beiden ein Neurochirurg und ein Fabrikant für Kraftwerkselektrik gewesen wären. Denn das hätte ich nicht geglaubt.

Und jetzt mal ehrlich: Was habt Ihr denn gedacht, was ich unter dieser Überschrift schreiben werde?