Ansichten eines Informatikers

Schäuble und der Antisemitismus

Hadmut
31.3.2018 13:51

Was macht der da? [Nachtrag]

Heute kamen eine Reihe von Meldungen dazu rein, was Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gesagt habe, aber die Meldungen widersprechen sich. Jeder berichtet halt, was ihm gerade passt, und es geht manchmal um etwas, was er im Bundestag gesagt, und manchmal um etwas, was er einer Mediengruppe gesagt hat. Nur mit der Besonderheit, dass er es im Bundestag anscheinend gar nicht gesagt hat, man immer nur ein Video von einer Rede unhörbar leise hinter Sprecherstimmen legt, um irgendwas zu sehen zu haben, weil doch heute alles Video sein muss und die Leute nicht mehr lesen. Anscheinend geht es nur um das Interview mit der „Funke Mediengruppe”.

Es passt aber trotzdem nicht zusammen.

Sogar ein und dasselbe Blatt, Focus, berichtet unter zwei widersprüchlichen Überschriften: Schäuble warnt vor Zunahme von Antisemitismus “durch Migration” und “Können nicht Gang der Geschichte aufhalten” – Schäuble: Bürger müssen akzeptieren, dass es immer mehr Muslime gibt.

Ja… was denn nun? Was will er denn jetzt?

Und wo zum Geier findet man nun diese Interview mit der „Funke Mediengruppe”? Um da mal eine Indirektionsstufe herauszunehmen, damit man nicht liest, was andere darüber schreiben, dass ein anderer schreibt… Sucht man nach denen, kommt man zu derenr Selbsteinschätzung, sie seien auf dem Weg, das beste nationale Medienhaus in Deutschland zu werden. (Was erstens heißt, dass sie sich selbst noch nicht dafür halten. Was zweitens nicht schwer ist, weil sie ja alle so rapide schlechter werden. Und was drittens nichts sagt, weil sie ja alle international werden und der Vergleich damit wegfällt.) Von da kommt man aber beispielsweise auf die WAZ und dort gibt es ein Interview mit Schäuble. Also nehme ich mir das mal ran.

Wie nehmen Sie den anhaltenden Streit zwischen den Unionsparteien wahr, ob der Islam zu Deutschland gehört?

Schäuble: Die Union hat in ihrer Geschichte reichlich bewiesen, dass sie keine andere Partei braucht, um sich zu streiten. Ich habe noch eine lebhafte Erinnerung an 1976 und den Beschluss der CSU von Kreuth, die Fraktionsgemeinschaft aufzukündigen. Ich halte es für klug, dass Horst Seehofer nun die Islamkonferenz wiederbeleben will, die ich 2006 als Innenminister gegründet habe. Ich habe damals als erster Regierungspolitiker gesagt: Der Islam ist ein Teil unseres Landes. Das hat gar nicht so viel Aufregung ausgelöst, weil es eigentlich eine Tatsachenbeschreibung ist. Wenn ich sage, das Wetter ist heute grau, dann ist das auch eine Tatsachenbeschreibung.

Das ist genau einer der Punkte, die ich neulich angekreidet habe: In der Formulierung „gehört zu Deutschland” wird wegen der Mehrdeutigkeit nicht klar, ob es eine Tatsachenbeschreibung, ein Soll-Zustand oder eine Will-ich-haben-Aussage ist. Die Formulierung „ist Teil von…” ist da präziser, vor allem wertungsfrei – oder besser gesagt wertungsoffen.

Die Frage ist doch, ob die beschriebene Tatsache wünschenswert ist.

Schäuble: Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein.

Sagen Sie uns Ihre.

Schäuble: Wir liegen immer falsch, wenn wir die Veränderungen, die stattfinden, nicht akzeptieren wollen. Wir müssen mit den Veränderungen leben und versuchen, sie zu gestalten. Wir können nicht den Gang der Geschichte aufhalten. Alle müssen sich damit auseinandersetzen, dass der Islam ein Teil unseres Landes geworden ist.

Das ist Schäubles Versuch, rational zu wirken und sich seiner Wertung zu enthalten, obwohl er immerhin mal einräumt, dass man das auch negativ bemeinen kann. Es hört sich aber an, als folge er da Merkels Befehlen. Und er begeht einen enormen (aber politisch gewollten) Denkfehler:

Was stattfinde, müsse man akzeptieren, damit müsse man leben.

Heißt: Man kann und darf zwar anderer Meinung sein, aber man soll sie runterschlucken. Die eigene Meinung darf nichts mehr bedeuten. Wir sind zwar frei in der Meinung, aber Meinungen sind irrelevant. Wir folgen einfach den Geschehnissen.

Wäre das nicht das Ende der Demokratie? Haben Wahlen nicht elementar und unausweichlich damit zu tun, seiner eigenen Meinung zu folgen und sie zur politischen Entscheidung zu machen?

Und es ist temporal und historisch fehlerhaft. Muss(te) man das Dritte Reich und die DDR akzeptieren, einfach weil sie stattgefunden haben? Oder kann man Veränderungen durch Einsatz seiner Meinung auch verhindern? Und wie soll man sie dann „gestalten”, wie er es formuliert, wenn Meinungen nichts bedeuten und man sich mit Geschehnissen einfach abfinden müsse? Soll man es nun geschehen lassen oder nicht? Wo ist der qualitative Unterschied zwischen gestalten und verhindern? Widerspricht man sich nicht selbst, wenn man sagt, man könne es nicht verhindern, aber müsse es gestalten? Hat man nun Einfluss oder nicht?

Schäuble: Die Muslime müssen sich klarmachen, dass sie in einem Land leben, das nicht von muslimischen Traditionen geprägt ist.

Sie müssen sich klarmachen?

Das wird nicht funktionieren. Das werden sie nicht wollen, nicht können, nicht machen, nicht akzeptieren.

Wir müssen es ihnen klarmachen.

Die meisten wissen das ja nicht einmal. Viele waren noch nie im Ausland und kennen gar nichts anderes als muslimische Länder und islamische Indoktrination der Koranschule. Für viele gibt es nichts anderes als den Islam. Die haben da noch nie selbständig gedacht, sind von kleinauf von den Imamen auf Islam-ist-alles-und-das-Größte getrimmt worden. Sie verstehen unsere Sprache oft nicht, manche können nicht lesen, und ganz sicher interessieren sie sich nicht für Regionalzeitungsinterviews mit Bundestagspräsidenten.

[Schäuble:] Und der Rest der Bevölkerung muss akzeptieren, dass es in Deutschland einen wachsenden Anteil von Muslimen gibt.

Was soll das für ein „Gestalten” sein? Muslime müssen sich selbst was klarmachen und wir sollen die Klappe halten und so vor uns hinakzeptieren. Wo kommt da ein „Gestalten” vor?

Was ist mit Muslimen, die ihre Religion über das Grundgesetz stellen – und Normen wie die Gleichberechtigung der Frau nicht akzeptieren? Gehören auch sie zu Deutschland?

Schäuble: Es gibt Menschen ganz unterschiedlicher Religionszugehörigkeit, die unsere Regeln nicht akzeptieren wollen. Deswegen haben wir übrigens die Polizei, die Justiz und sogar Gefängnisse. Damit sich alle in unserem freiheitlichen Staat sicher fühlen können, müssen die Regeln für alle gelten. Aber natürlich gehören auch die Rechtsbrecher und die Gefängnisinsassen zu Deutschland.

Polizei? Justiz? Gefängnisse?

Auf welchem Planeten lebt der?

Alle drei sind jetzt schon hoffnungslos überlastet. Neulich gab es irgendwo einen Bericht über ein Gefängnis hier in der Gegend, in der die Clans das Sagen haben und gut leben, und die den Wärtern die Anweisungen geben und nicht umgekehrt. Aus anderen Berliner Gefängnissen hört man, dass die da alle Handys und Internet haben und live aus ihrer Zelle twittern und facebooken. Ständig liest man bei Straftaten, auch bei Messereien, dass die Täter nach Aufnahme der Personalien wieder freigelassen wurden. Straftäter müssen aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil die Gerichte nicht nachkommen. Die Berliner Staatsanwaltschaft kapituliert, weil hoffnungslos unterbesetzt. Normale Straftaten wie Raub, Einbruch, Diebstahl werden schon gar nicht mehr verfolgt. Freie Gefängnisplätze gibt’s auch nicht mehr. In manche Gegenden traut sich die Polizei kaum noch hin.

Und dann kommt der Schäuble und sagt, alle sollen sich sicher fühlen, denn dafür haben wir ja Polizei, Justiz und Gefängnisse.

Will der uns verarschen?

Schäuble: In den muslimischen Gemeinschaften gibt es viele, die ein starkes Engagement gegen Antisemitismus zeigen. Und in der Geschichte sind Judenpogrome in der islamischen Welt nicht so ausgeprägt gewesen wie in anderen Regionen – um auch das mal zu sagen. Doch gibt es in der Tat die wachsende Sorge, dass radikale Muslime in Europa einen auch vom Antizionismus gespeisten, irrationalen Hass auf Juden verbreiten. Das geschieht besonders in Frankreich, aber auch in Deutschland. Dagegen muss man mit aller Entschiedenheit vorgehen.

Moment mal.

Eben hieß es noch, wir müssten das „akzeptieren”, was passiert, und die Muslime müssten sich das selbst klarmachen, dass wir hier nicht so islamisch sind, und jetzt plötzlich soll man „mit aller Entschiedenheit vorgehen”?

Ja, was denn nun?

Schäuble: Antisemitismus ist kein speziell muslimisches Problem. Antisemitismus gibt es in Europa seit Jahrhunderten, gerade in Deutschland mit der entsetzlichen Folge des Holocaust – aber jetzt wird er auch durch Migration und durch den von radikalen Kräften in der islamischen Welt geschürten Hass auf Israel wieder stärker. Das zeigt, wie groß die Aufgabe für freiheitliche Gesellschaften ist, Errungenschaften wie Toleranz und Religionsfreiheit unter den Bedingungen des schnellen Wandels und dieser gewaltigen Migration durchzusetzen. Das ist der große Stresstest für die westlichen Demokratien. Und wir in Deutschland können Antisemitismus weniger als jedes andere Land dulden. Die Bekämpfung von Antisemitismus gehört geradezu zum Gründungskonsens der Bundesrepublik Deutschland …

Ja, was denn nun?

Erst sagt er, wir müssten uns mit dem Islam abfinden und lägen falsch, wenn wir nicht einfach so akzeptieren, was hier so reinpassiert, und dann sagt er, wir dürften Antisemitismus nicht dulden, dessen Bekämpfung sei Gründungskonsens Deutschlands.

Orwell’sches Doppelsprech?

Gestern erst kam zum Karfreitag dieser erbärmlich hölzerne Monumentalschinken über die zehn Gebote mit Charlton Heston als Moses. Schon da (oder eben aus der Bibel) erfährt man was, über die Ursprünge, nämlich Moses gegen den Pharao und wem da wo welches Land gehört und wer wem was genommen hat. Glaubt Schäuble etwa ernsthaft, er könne einen zweieinhalbtausend Jahre andauernden Streit mal eben so beenden und sagen „So, gut jetzt, hört mal auf damit und vertragt Euch wieder?”.

Und wenn er von Holocaust redet, handelt er sich damit argumentativ gleich zwei Probleme und zwei Gegnergruppen ein:

  • Die Muslime, die den Holocaust gut finden (und die gibt es), und meinen, der sei von der Idee her gut, aber nicht vollständig umgesetzt worden, das müsse man nachholen.
  • Die Muslime, die den Holocaust schlecht finden, weil daraus Israel als Staat entstanden ist, und die das rückgängig machen oder sogar Rache dafür nehmen wollen.

Das ist verdammt schwierig, da überhaupt eine stabile und effektive Position einzunehmen, wenn man da gewalttätige Gegner hat, egal wie man die Sache sieht.

Meine Interpretation

Schäuble ist nicht dumm. Er ist einer der intelligentesten Leute, die es in dieser Regierungsklapsmühle überhaupt noch gibt.

Aber er sagt hier Dummes. Oder genauer gesagt: Unsinniges, weil es sich selbst widerspricht, und damit für Dumme gesprochen ist, weil nur die Dummen das so annehmen, wiewohl es ganz viele davon gibt, besonders bei der Presse.

Für mich heißt das: Die wissen nicht mehr weiter. Die haben sich in eine Situation gefahrenm, aus der sie nicht mehr heraus wissen.

Die Aussage heißt eigentlich: Den Islam bekommt man nicht mehr aus Deutschland raus.

Und die Beobachtung dabei, und ich verstehe es so, dass er das damit auch andeuten will: Ausgerechnet Deutschland, das eigentlich von seiner historischen Bedeutung her das Land ist, das Antisemitismus verhindern muss, hat sich damit einen neuen Antisemitismus eingehandelt, den es nicht mehr beherrschen kann.

In Frankreich gerät das gerade außer Kontrolle, und bei uns wird des das auch.

Schäuble macht hier eigentlich nichts anderes als in verklausuliert politikertypischen Worten zu sagen, dass wir irreparabel auf dem Absturz in einen neue Antisemitismus sind. Für mich bedeutet dieses Interview, dass die Regierung nicht mehr handlungsfähig ist, dass sie die Situation nicht mehr im Griff hat, und deshalb nur noch Akzeptanzparolen ausgibt und darauf hofft, dass Muslime selbst irgendwie verstehen, dass wir hier eigentlich nicht islamisch sind – was sie nicht tun werden. Warum auch? Warum sollten sie das tun?

Im Prinzip heißt dieses Interview nichts anders mehr, als dass der Regierung die Zügel komplett entglitten sind und nichts anderes mehr als Hoffnung bleibt.

Anmerkung von mir: Wir werden in der allernächsten Zeit einen gewaltigen Ausbruch des Antisemitismus in Europa erleben. (Und wahrscheinlich einen – womöglich atomaren – Vernichtungskrieg gegen Israel.)

Das wird zu einer verhängnisvollen Lawine, zu einem Ketteneffekt führen: Wenn sich hier nämlich der Antisemitismus gegen unseren widerstandslosen Willen und unseren „Gründungskonsens”, wie Schäuble es nennt, durchsetzen kann, und wir, wie wir es gerade ständig tun, nur wehrlos zusehen, schlimmer noch: Kritiker als „islamophob” und paradoxerweise als „Nazis” beschimpfen, dann senden wir damit auch eine Botschaft der Schwäche und Unterwerfung, damit fördern und befördern wir das alles noch, und schon jetzt gelten wir ja bei vielen islamischen Gesellschaften und islamistischen Kreisen als schwaches, wehrloses Land, mit dem man machen kann, was man will. Also macht man, was man will. Und was haben wir dagegen? Rauten-Merkel und eine funktionslose, kontraproduktive Presse, die die feindliche Übernahme noch unterstützen. Man fördert damit nicht nur Antisemitismus, sondern auch noch das Gefühl des Stärkeren, der Überlegenheit, die Überzeugung, machen zu können, was man gerade will.

Gleich nach den Juden sind dann nämlich auch Christen und Ungläubige dran.

Und Schäuble sagte gerade etwas, was sich für mich danach anhört, als ob sie jetzt schon nicht mehr wissen, was sie dagegen tun sollen.

Schweden, England und Frankreich wissen es übrigens auch nicht.

Nachtrag: Ein Leser schickt mir dazu gerade einen Link auf ein Twitter-Video mit einem Auszug einer Hahne-Sendung vom 22.9.2017: