Ansichten eines Informatikers

SPD und Zeitungssterben: Staatlich nicht kontrollierte Medien „gefährlicher als Kernenergie”

Hadmut
10.2.2018 20:07

Ein Leser hat mich auf einen bemerkenswerten Presseartikel im SPIEGEL über das Verhältnis der SPD zu Medien hingewiesen.

Ein hoher SPD-Politiker geht auf private Fernsehprogramme los:

Die geplante Verkabelung von Städten ist vorerst gestoppt; um die Bürger vor den schädlichen Einflüssen einer Reizüberflutung zu schützen, wollen die Sozialdemokraten notfalls das Grundgesetz ändern. […]

Um an seinem Standpunkt ja keinen Zweifel aufkommen zu lassen, zog … einen gewagten Vergleich: “Wir dürfen nicht in Gefahren hineintaumeln, die akuter und gefährlicher sind als die Kernenergie.” Würden die Bürger mit privaten Kabel- oder Satellitenprogrammen überflutet, dann könnte dies, so …, “die Strukturen der demokratischen Gesellschaft verändern”.

Und wenn wir schon bei Zensur sind, ist auch der Bundesjustizminister der SPD nicht fern:

Bei den sozialdemokratischen Ressortchefs stieß die pessimistische TV-Schau … auf einhellige Zustimmung. Justizminister … will “Dämme” gegen eine “Reizüberflutung” in den deutschen Wohnstuben errichten: “Ich kann mir nichts Gefährlicheres für die Familie vorstellen.” Zu viele Krimis, Quiz und Shows machten die Menschen “muffig und sprachlos”.

Andere sahen das anders, beispielsweise der Bundesinnenminister:

Wenn auch “nachteilige gesellschaftliche Auswirkungen” nicht auszuschließen seien, so würden doch die Vorteile der neuen Medien überwiegen: Sie “sollen die Informationsfreiheit für den einzelnen Bürger erweitern und ihm noch mehr als bisher die Gelegenheit bieten, sich aktiv am Informationsprozeß zu beteiligen”.

Und schließlich, so konstatierten der Innenminister und seine Experten lapidar, sei “die Verkabelung von Städten und Gemeinden” ohnehin “nicht mehr aufzuhalten”.

Eben das aber will … versuchen. Seit er im vergangenen Jahr mit dem Vorschlag eines fernsehfreien Tages in der Woche für Aufsehen sorgte, ist … für die “eher spröde Medienpolitik sensibilisiert” (Regierungssprecher…). […]

Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der neuen Medien, der Kampf vor allem um das private Fernsehen scheinen … inzwischen so bedeutsam, daß er im SPD-Vorstand jüngst erwog, die Problematik … in den Wahlkampf einzubringen.[…]

Schon vor der Kabinettssitzung letzte Woche hatte der Regierungschef seinem Postminister … das Versprechen abgenommen, die geplante Verkabelung von elf Großstädten sofort zu stoppen. […]

Beim Satellitenfernsehen schließlich will die Regierung verhindern, daß Radio-Télé Luxembourg (RTL) … über einen eigenen Erdtrabanten die deutschen Zuschauer mit einem Klimbim- und Larifari-Programm beglückt. […]

Folgerung: Sollten die Luxemburger die deutschen Bildschirme überfluten, dann wäre “die Existenz von Zeitschriften wie „Spiegel”, „Stern” und „Bunte” gefährdet”, denn “deren Werbemarkt” würde “als erstes” von RTL konsumiert. “Die mühsame Medienbalance”, so auch … Furcht “würde über den Haufen geworfen.”

Erst kürzlich habe er nach der ZDF-Diskussion mit den vier Parteivorsitzenden … wieder einmal beobachten können, wie oberflächlich selbst kritische Zuschauer Fernsehprogramme aufnähmen. Man habe ihm … von der “schlechten Figur, die … bei diesem Auftritt gemacht hat”, berichtet, nicht aber davon, “was er denn gesagt hat”. […]

[Der] Justizminister hat eine mögliche Verfassungsänderung schon vorbedacht. Seiner Ansicht nach ist die nach Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Informationsfreiheit “eingeschränkt” durch den Artikel 6, der die Familie schützt: “Wir können doch nicht zulassen, daß durch Informationsüberflutung die Privatheit der Familie zerstört wird.”

Kommt Euch das jetzt komisch oder vertraut vor?

Eigentlich beides. Eigentlich kommt es einem hochaktuell vor, so wie die SPD mittels Justizminister Maas gerade auf das Internet losgeht.

Und es kommt einem bekannt vor, dass die SPD irgendwelche anderen Rechte an den Haaren herbeizieht, um effektiv die ihr wohlgesonnenen Blätter vor Umsatzverlust zu schützen.

Andererseits geht es hier um Kabelfernsehen. Nicht um Internet.

Wie passt das zusammen?

Lösung: Der SPD-Politiker war der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Und der Artikel im SPIEGEL war vom 1.10.1979.

Die SPD hat auch vor rund 40 Jahren schon alles getan, um die Printpresse vor Konkurrenz zu schützen.