Ansichten eines Informatikers

Schmackhafte Pakete: Ohne Mampf kein Kampf

Hadmut
3.2.2018 18:53

Danisch erzählt von der Bundeswehr ist so wie „Opa erzählt vom Krieg light”: Man mag es nicht, aber man kommt nicht immer drum herum.

Das Jahr, das ich beim Grundwehrdienst verbracht habe, war irgendwo zwischen prägend und traumatisch. Das einzig positive, was ich von der Bundeswehr mitgenommen habe, war ein LKW-Führerschein, und selbst den habe ich nie im engeren Sinne gebraucht. (Er hilft im Ausland, wenn man Wohnmobile der Größenordnung Zwei-Zimmer-Küche-Bad, leicht unterkellert, anmietet.)

Zu den kuriosen Erlebnissen gehört EPA. Die Einmannpackung, oder so ähnlich. Jene grauen Pappschachteln mit kampfresistentem Feldessen, die man einfach mal erlebt haben muss. Irgendeine eine mehr oder weniger genießbare Pampe in Alufoliebehältern, die man nur mühselig auf Esbit heißmachen, aber auch kalt runterwürgen konnte, dazu Kaffeepulver, das ich stets verschenken und keiner haben wollte (ich trinke nicht mal richtigen Kaffee), dagegen ein ganz ordentliches Orangenlimopulver (das ich versucht habe, gegen das Kaffeepulver einzutauschen, das aber keiner hergeben wollte), und dazu die unbeschreibliche Natoschokolade und die unbeschreiblichen Kekse, genannt Panzerplatten.

Die Schokolade war so hart, dass man sich daran Zähne abbrechen konnte, und wenn man sie doch durchbekommen hat, ist sie scharfkantig gebrochen wie eine Glasscheibe. Dafür war die Schokolade nie weich oder schmierig. Das ging gar nicht, dieser Aggregatzustand war in der Natur für das Zeug nicht vorgesehen.

Die Kekse waren so hart, dass man sie nur mit Mühe abbeißen und sich daran Zähne abbrechen konnte. Dafür waren die nie zerbröselt.

Beides hatte natürlich den Zweck, die Dinger auch bei Hitze in einem Zustand zu halten, der einem Rucksack widerstehen konnte, dass sollte ja nicht weich werden und zerkrümeln. Beides war immer in Form, beides im Verzehr eine Herausforderung.

Deshalb war auch immer genug übrig. Die meisten Leute warfen Schokolade und Kekse in den Müll. Ein Feldwebel erklärte mal zu dem Umstand, dass er Schokolade und Kekse sammelte und mit nach Hause nahm, dass seine Gattin von der ganz derben Sorte und schwer zu schocken sei. Sie verstünde sich darauf, aus beidem, Schokolade und Keksen, unter Anwendung ihrer Hexenkunst in ihrem Backofen unter feindeinwirkungsähnlichen Bedingungen einen leckeren Kuchen der Sorte kalter Hund zu fertigen. Ich habe keine Ahnung, was sie da trieb, denn die Sorte Kuchen wird meines Wissens ja gerade deshalb kalter Hund genannt, weil bei der Herstellung Hitze und Ofen keine Rolle spielte. Aber er war eine Kampfsau und sie war härter als er. Ich habe seine Frau und ihre Kuchen nie kennengelernt (und habe es bis heute auch nie bedauert, obwohl mich das Rezept schon interessiert hätte, falls es nicht gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstieß – ich habe vergessen zu fragen, ob scharfe Munition oder Sprengstoff da irgendwie involviert waren und ob man nach dem Genuss vielleicht Probleme am Flughafen bekommt).

Kennengelernt hatte ich dagegen die Sekretärin unserer Kompanie, die ich bei seltsamem Treiben erwischte. Wieder einmal waren wir für Manöver mit EPA ausgestattet worden und wieder einmal warf die Hälfte der Truppe die EPA-Schachteln direkt in die Mülltonne in der Absicht, stattdessen auf den allgegenwärtigen Nato-Geier vertrauten, die moderne, motorisierte Form der Marketenderin. Nato-Geyer waren weiße Transporter der Art Mercedes-Sprinter in typischer Currywurstbuden-Aufbau, mit denen Leute versuchten, übenden Truppenteilen hinterherzufahren und ihr Geschäft damit zu machen, ihnen Currywurst, Pommes, Eintopf und so weiter zu verkaufen. Obwohl sie den Truppenübungsbereich eigentlich – wie jeder Zivilist – gar nicht betreten, schon gar nicht befahren durften, waren sie allgegenwärtig, irgendwie kamen sie immer rein, irgendwie waren sie immer in der Nähe. Und irgendwie bekamen sie nie Ärger, weil irgendwie jeder bei ihnen kaufte, aber irgendwie keiner sie sah. Selbst die strengsten Vorgesetzten sahen einfach durch sie hindurch. Die Versorgung mit Pommes war einfach wichtig, wenn man sonst nur EPA und Panzerplattenkekse bekommt. Wobei das ja auch nicht stimmt, wenn’s irgendwie ging gab es aus der Kantine schon warme Verpflegung, die ich dann als Kompanietrupp-Heini rausfuhr. Aber darin war man sich einig: Ohne Mampf kein Kampf.

Wenn es der Kantine aber mal finanziell knapp ging oder sich zuviele EPAs nahe des Ablaufdatums gesammelt hatten, kamen die auch allen in den großen Kochtopf, dann gab’s auch in der Kantine EPA-Eintopf. Dann standen die in der Küche und haben 500 EPAs aufgerissen und in den Kochtopf gekippt. Entsprechend unbeliebt waren diese Packungen.

Also eigentlich wollte ich ja von der Sekretärin erzählen, die ich dabei sah, wie sie einen großen Stapel jungfräulich-unberührter EPA aus dem Müll holte und in ihr Auto lud. Ich war verblüfft. Ich fragte sie, ob sie daraus Kuchen macht, Kalter Hund. Nein, sagte sie, sie habe eine doofe Tochter. Äh..wie?

Ja, meinte sie, ihre Tochter habe ihr mal vor einem Klassenausflug erst morgens gesagt, dass sie Proviant braucht – exakt zur Abfahrtszeit. Weil Mutter nichts im Hause hatte und die Zeit zu nichts mehr reichte, und sie das Gebaren der Tochter nervte, gab sie ihr – eigentlich provokant gemeint – einfach 3 EPA mit, die sie mal mit nach Hause genommen hatte. Die Tochter zeigte sich begeistert, nicht weil sie EPA gemocht hätte, sondern weil sie das Zeug bei den Klassenkameraden gegen die leckersten Sachen eintauschen konnte, die fanden das abenteuertauglich und hielten sich damit für Rambo. Seitdem sorgte die Sekretärin als Mutter stets für ausreichende EPA-Vorräte zuhause. Die einzige Person damals in der Kompanie, die wirklich scharf auf die Dinger war. Ach, naja, eigentlich waren die Dinger ja gar nicht schlecht. Ein Kumpel berichtete mir aber, in seiner Kompanie sei einer zu den Sanis eingeliefert worden, weil er sich bei der Zubereitung seines EPAs nach Art der Panzergrenadiere übelst an seinem Klappspaten verbrannt habe.

Die WELT berichtet nun, die Zustände bei der Bundeswehr seien mittlerweile so desaströs, dass nicht nur Gewehre schief schießen, Flugzeuge nicht fliegen und U-Boote auf dem Trockenen liegen, sondern jetzt auch noch EPA ausgehen, die haben nicht mehr genug zu beißen.

Der Branchenblog verweist auf ein Bataillon, das Einmannpackungen für einen Übungsplatzaufenthalt anforderte und ein Mangelwaren-Schreiben der Behörde bekam.

Zum Branchenblog geht’s hier.

Und wie man eben so schön sagt: Ohne Mampf kein Kampf.

Hauptsache, wir haben Kitas, (leere) Kühlschränke, schwangerentaugliche Kampfpanzer und Frauenquoten. Noch vier Jahre von der Leyen, und die haben keine Kasernen mehr.