Ansichten eines Informatikers

Was haben Bitcoins mit Fahrradhelmen gemeinsam?

Hadmut
16.1.2018 22:36

Na?

Ganz einfach: Sobald ich was dazu schreibe, donnern Berge von Zuschriften bei mir rein. 😀

Ganz viele haben mir geschrieben, dass ich das mit Bitcoins ja falsch sähe. Jede Währung und alle Aktien wären schließlich auch nur ein Phantasieprodukt, bei dem es darauf ankäme, dass sich irgendwelche Leute dazu bereiterklären, mir etwas dafür zu geben, und Papier könnte man auch nicht essen. Also unterschieden sich Bitcoins nicht von normalem Geld und Aktien.

So’n Quatsch!

Der erste wesentliche Unterschied zwischen Bitcoins und normalem Geld und Aktien ist, dass normales Geld und Aktien getrennte Dinge sind, das eine ist zum Bezahlen, das andere zum Anlegen und Spekulieren. Bitcoins will/soll beides sein, und das passt nicht zusammen. Man kann mit etwas, dessen Wert ständig verändert und gehandelt wird, nicht zahlen. Zwar haben wir bei Geld auch Wechselkurse, aber nur zwischen den Währungen und mit geringerer Schwankung.

Zweitens:

Natürlich kann ich normales Geld essen. Freilich nicht die Geldscheine als Papier. Aber es sind gesetzliche Zahlungsmittel. Der Bauer, der Lebensmittel herstellt und verkauft, muss Steuern zahlen, wenn er was verdienen will. Und die zahlt er nicht in Bitcoins, sondern in Euro. Deshalb ist der Bauer zwingend darauf angewiesen, sich irgendwoher Euro zu beschaffen. Und damit mindestens den Teil seiner Erträge, den er in Steuern zahlen muss, auch in Euro (oder etwas, was sich ohne weiteres in Euro wandeln lässt) zu nehmen. Schon deshalb kann ich mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf vertrauen, dass der Bauer Euro nehmen wird. Er ist gezwungen, mindestens einen Teil seines Handels in Euro zu treiben.

Und auch ich muss schauen, dass ich an Euro komme, denn auch ich muss – wenn ich nicht ganz in Armut leben will – Steuern zahlen. In Euro.

Auch im Rechtsverkehr läuft vieles auf Euro hinaus, weil vieles auf Schadensersatz, Geldstrafen usw. hinausläuft, die in der gesetzlichen Währung zu bemessen und zu leisten sind. Auch Sicherheiten, wie etwa Grundschulden und Hypotheken lauten in Euro.

Drittens:

Eine Währung mit so hoher Schwankung ist unbrauchbar. Das sieht man auch in Ländern mit extremer Inflation.

Ein Vertrag, in dem eine Leistung in Bitcoins vereinbart wird, könnte sich als unwirksam herausstellen, weil die Leistung zu unbestimmt ist.

Viertens:

Begrenztheit. Viele argumentieren, dass der Wert von Bitcoins stabil sei, weil die Zahl begrenzt ist und das Anwachsen immer schwieriger wird, während man Papiergeld beliebig drucken könnte.

Falsch.

Es mag zwar sein, dass die Zahl der Bitcoins begrenzt ist, aber nicht die Zahl der digitalen Währungen. Hinz und Kunz können anonym um die Ecke kommen und jederzeit eine neue gründen. Kodak (oder was von denen übrig ist) will das ja gerade. Man weiß ja nicht mal, mit wem man es zu tun hat.

Schon einzelne Personen können uns eine riesige Währungsinfrastruktur vortäuschen, und dann nach dem Mode- und Willkürprinzip jederzeit weiterziehen. Gestern Bitcoins, heute Cyberdollars, morgen dann Primbarren.

Papiergeld kann man drucken. Ja. Aber nicht einfach jeder. Dahinter steckt zwar eine korrupte, aber immerhin noch greifbare Politik. Die Probleme, die wir derzeit haben, liegen nicht am Prinzip Geld, sondern am undurchsichtigen Korruptionssumpf Europa. Hätten wir das in vernüntigem Rahmen gehalten, wäre es eine demokratische Entscheidung, wie wir damit umgehen.

Fünftens:

Es scheint manchen nicht bekannt zu sein, aber hinter einer ordentlichen Währung steckt eine Wertgarantie, wie etwa Goldreserven. Einlagesicherungen. An Euro gebundene Sachwerte, wie eben Grundschulden.

Aktien sind – normalerweise – nicht irgendein Spielgeld, sondern stellen einen Anteil an einer Firma dar. Da sind – normalerweise – Werte wie Sachwerte, Patente, Rechte, Geschäftsverbindungen usw. da, die ein Dritter durch Aufkauf der Aktien übernehmen kann. Im Prinzip kann eine Aktie nicht unter den Marktwert des Unternehmens selbst sinken. Dazu kommen die Erträge, die in Dividenden ausgezahlt werden.

Zutreffend ist natürlich, dass viele Unternehmen enorm überbewertet sind und der Aktienwert einen hohen Zockeranteil hat.

Aber: Es gibt ja nicht nur eine Aktie. Das kann man sich ja raussuchen, welche man kauft. Bei Bitcoins gibt’s keine guten und schlechten.

Und nein, Gold ist auch kein willkürlich festgelegter Wert. Gold hat einen Eigenwert als Schmuck und Substanz, die in Medizin und Technik für viele Dinge gebraucht wird. Sollte nicht gerade enorme Goldvorkommen gefunden werden, kann der Goldwert nicht völlig in sich zusammenstürzen.

Sechstens:

Massenträgheit.

Was müsste wohl passieren, dass sich der Wert des Euro oder des Dollar halbiert oder verdoppelt. Das geht nicht so einfach, das geht nicht so schnell. Nicht mal durch Spekulanten wie Soros.

Bitcoins können ihren Wert von heute auf morgen verdoppeln, halbieren, verzehnfachen, und das nur, weil eine kleine Gruppe anonymer Leute sich eben darauf einigt.