Ansichten eines Informatikers

Ansichten zur Meinungsfreiheit

Hadmut
30.10.2017 18:28

Etwas bedenkliches.

Jemand hat mich heute auf eine Aussage aufmerksam gemacht, die ich bedenklich fand.

Ich möchte die geneigten Leser deshalb nachdrücklich bitten, nicht mir, aber sich selbst – und das bitte mit unnachgiebiger Härte, fordert eine konkrete, knallharte Antwort von Euch selbst, notfalls mit Gewalt – eine Frage zu beantworten und sich die Antwort gut zu merken. Denn manch einer wird diese Antwort noch brauchen, um sie gegen sich zu verwenden.

Die Frage:

Würdet Ihr mir darin zustimmen und folgen, dass jemand, der

  • heute, 72 Jahre nach Ende des Krieges und des Dritten Reiches, noch an den Worten und Reden von Goebbels klebt, der sie penibel genau liest, sich verinnerlicht,
  • der sie für unumstößliche Fakten und unangreifbare, verbindliche Aussagen hält, die durch nichts, was danach kam, widerlegt, als absurd erkannt, außer Kraft gesetzt, überholt, sonstwie obsolet gemacht wurden, und keinen Widerspruch duldet, sieht, zulässt,
  • der sie heute zum alles überragenden und selbst Grundrechte brechenden Maßstab macht, der seine heutige politische Meinungs- und Entscheidungsbildung darauf stützt, und sie als das verdrängende und alles stechende Superargument verwendet,

nicht dicht, aber hochgefährlich ist, einem hochgefährlichen Nazi-Kult anhängt und ein Fall für eine dringende TÜV- und Abgabsprüfung beim Klapsdoktor ist, um bei Nichtbestehen aus dem Verkehr gezogen zu werden?

Denkt mal drüber nach.

Nicht weiterlesen.

Erst eine klare Antwort.

Fragt nochmal nach, ob Ihr Euch auch wirklich richtig verstanden habt.

Mir schickte jemand diesen Retweet

dieses Tweets:

Wer dieser „Baron von Agitpop” weiß ich nicht, jedenfalls jemand, der Stasi-Methoden (vgl. Agitprop mit r) verherrlicht, aber die (mir ebenfalls unbekannte) Retweeterin Jagoda Marinić behauptet in ihrem Twitter-Profil, für TAZ und Süddeutsche zu schreiben.

Was steht da nun?

Da steht, dass man Meinungsfreiheit – ein Grundrecht – einschränken solle, und begründet wird dies mit einem einzelnen, wörtlich zitierten Satz von Goebbels. (Keine Ahnung, ob er das wirklich gesagt hat oder ob das Fake ist, es interessiert mich auch nicht, denn ob es wahr ist, ist effektiv egal.)

Da schreiben Leute, an denen die letzten 72 Jahre, alles, was wir als Lehre und Sicherungsmaßnahme erarbeitet haben, was wir an Grund- und Menschenrechten versprochen haben, komplett vorbei gegangen sind, die geistig unverrückbar auf dem Stand 1935 eingefroren sind. Für die ist „Goebbels hat gesagt…” das absolute, allein relevante, unwiderlegliche, alles umstoßende Maß aller Dinge. Wenn der das so gesagt hat, muss das auch 82 Jahre später und 72 Jahre nach seinem Tod die alleinige Grundlage der Politik sein.

Das ist unglaublich, dass im Jahr 2017 noch Leute herumlaufen und Zeitung schreiben, für die nichts anderes zählt, als was Goebbels gesagt hat.

Dass Geisteswissenschaftler und das linke Umfeld so ticken, dass die sich irgendeinen als Guru aussuchen und an dessen Worten kleben – Marx, Foucault, de Beauvoir, Butler und wie sie alle heißen – und ohne weiteres Denken als alleinige Wahrheit ansehen, was ihre Gottheit gesagt hat, ist bekannt. Aber ausgerechnet Goebbels?

Das ist mir schon so oft aufgefallen, dass ausgerechnet die, die am lautesten „Nazi!” schreien, selbst in einen regelrechten Nazi-Kult verfallen sind, als gäbe es kein anderes Thema und als wären die unsterblich. Als wären die der Messias, der Prophet, der Gott. Nur mit umgekehrtem Vorzeichen.

Das ist etwas, worüber ich schon lange nachdenke, deshalb ist mir das auch so aufgefallen: Gibt es sowas wie Religion, Sekten, Kulte, Besessenheit, religiösem Wahn, aber mit negativer Konnotation? So als Hexenjagd?

Falls Psychologen unter den Lesern sind:

Könnte das sein, dass die Leute in einem massiven Spaltungskonflikt stehen, dass sie gleichzeitig einer religiösen, sektenhaften Faszination verfallen sind und diese zutiefst ablehnen, weil so böse, und sie deshalb heute überall Nazis sehen und verbissen bekämpfen, weil sie sich im Prinzip gegen ihre eigene Nazi-Besessenheit stemmen, als ob sie da so einen bösen Teil ihrer selbst hilfsweise auf andere projizieren, um ihn bekämpfen zu können?

So sehr ich drüber nachdenke, mir fällt einfach kein gesunder, verkehrstauglicher Grund ein, warum ein erwachsener Mensch heute, 72 Jahre später und trotz Grundgesetz, Grundrechte, Menschenrechte, ständig, von morgens bis abends, immer und überall nur Nazis sieht und irgendein Kneipengewäsch irgendeiner Nazi-Größe heute zum zentralen, unumstößlichen, unwiderlegbaren Befehl für Denken, Handeln und Entscheiden macht.

Ich bin überzeugt, dass jemand, der dafür sorgen will, dass Goebbels’ Reden im Jahr 2017 – wider alle Demokratie – maßgeblich für Grundrechte sind, nicht öffentlichkeitstauglich ist und in den Zimmern mit den weichen Tapeten besser untergebracht wäre. Jeder geistig auch nur entfernt gesunde Mensch muss doch eigentlich der Überzeugung sein, dass jemand wie Goebbels nicht auch noch unsere heutige Politik steuern und bestimmen darf.

Ich fand es schon immer erschreckend, wieviel Nazi-Symbolik ich bei Linken sehe. Ich habe ja mal geschrieben, wie ich in Erwartung eines feministischen Vortrages zur Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD ging, und mir dann der Kiefer runterklappte, als da ein durchgeknallter New Yorker Soziologe namens Michael Kimmel wie ein Besessener übelsten Nazikram abspulte und nichts anderes. Natürlich war es Gruppen-Gruseln. Aber schon der kam mir wie ein Nazi-Besessener vor, einer, der kein anderes Thema mehr kennt. Anderes Vorzeichen, aber ansonsten komplett auf Nazi programmiert und eingebrannt. Ebenso das Publikum. Hach, wie schön eklig. Bitte, bitte, bitte, darf ich noch mal ne Runde Geisterbahn fahren? Ich hatte den Eindruck, die brauchen das. Für die geht der Tag nicht ordentlich rum ohne Nazis, Nazigrüße, Hakenkreuze.

Als ob der ganze banale Psychokram mit Uniformen, Symbolen, Auftreten, Massenveranstaltungen, Theatralik, Tribalismus in Reinkultur, nicht nur damals gewirkt hat, sondern auf manche noch heute wirkt, und die versuchen, dieses böse andere ich aus sich rauszuprügeln.

Ein geistig gesunder Mensch würde in der Gegenwart und der Zukunft denken, argumentieren, oder ihr jedenfalls Vorrang geben. Der würde sagen, wir haben Meinungsfreiheit, damit so etwas nicht mehr passiert.

Wenn ich aber sehe, dass heute Leute in Zeitungen schreiben, die sich primär von Goebbels leiten lassen, dann graust es mir abgrundtief.

Oder sehe ich das falsch?