Ansichten eines Informatikers

Die freiwillige IT-Feuerwehr für die brennende „Cyber-Anlage“

Hadmut
14.8.2017 21:37

Es ist unglaublich, auf was für Schnapsideen diese Bundesregierung so kommt. [Nachtrag: Herrje, ich werde alt! ]

Irgendwie steigt bei mir das Gefühl, von planlosen Laien regiert zu werden, fast jeden Tag an. Heute kam der Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit dem Vorschlag an, eine „freiwillige Cyber-Feuerwehr“ einzurichten:

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Einrichtung einer Art ehrenamtlicher “Cyber-Feuerwehr” angeregt. Bei Feuer und Bränden wisse man sofort, wen man alarmiere. Bei Cyber-Angriffen sei das anders. “Wer hilft denn da dem kleinen Tischler, dem Handwerker, dem mittelständischen Unternehmen? Wenn’s brennt, ruft er die Feuerwehr. Wen ruft der eigentlich an, wenn seine Cyber-Anlage ausfällt?”, fragte de Maizière am Montag bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Bremen, an der zahlreiche Ehrenamtliche unter anderem von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk teilnahmen.

Eine “Cyber-Feuerwehr” könne eine Chance sein, junge Menschen zu begeistern, die man nicht mehr für die klassische Feuerwehr gewinnen könne. Einige junge Menschen könnten sich sagen: “Ich hacke auch sonst gerne, dann hacke ich mal für die Guten.”

Wenn die „Cyber-Anlage ausfällt“.

Ehrenamtliche junge Menschen dafür begeistern.

Woher sollen die eigentlich die Sachkunde haben? Was sollen die machen? Not-Twittern? Oder schnell Eil-Selfies whatsuppen? Wie kann man eigentlich so naiv und dämlich sein? Das ist ja schon für Profis oft kaum noch zu durchblicken, was die Ursache ist, wenn irgendein Angriff stattfindet. Außerdem ist es dann, wenn der Ernstfall eintritt und man dann nicht weiß, was man zu tun hat, um wieder aufzusetzen, eigentlich zu spät. So ein Ansatz geht genau in die falsche Richtung. Und sich im kritischen Ernstfall irgendwelche selbsternannten ehrenamtlichen Jugendlichen an die Kiste zu lassen, kann ziemlich in die Hose gehen.

Vielleicht sollte man lieber eine IT-Feuerwehr einrichten, die schnell gegenpubliziert, wenn schon wieder mal einer Mist solchen daherredet.

Aber Hauptsache, Cyber kommt drin vor.

Apropos Cyber: Ich hatte doch gerade zweimal über diese alberne Kanzlerberatungsstiftung geschrieben. Ein Leser hat mir heute geschrieben, warum da ein Soziologe über den Kryptokrieg promovieren kann und für die Regierung Papers schreibt, und ich nicht: Wegen „Cyber“. Schon in dessen Dissertationstitel kommt dreimal Cyber vor („From Cyberutopia to Cyberwar: Advovacy Coalitions and the Normative Change in Cyberspace“) vor, während mein Blog nur „Ansichten eines Informatikers“ heißt, ganz ohne Cyber. Und die würden da jetzt total alle drauf abfahren, wenn man ganz dolle „Cyber“ ruft. Cyber, Cyber, Cyber. Man muss es nicht verstanden haben, nur fleißig Bullshit-Bingo spielen. Cyberanlagen. Cyberwar. Cyberspace. Ich sehe in dem Titel nicht mal Sinn, wenn man den Schreibfehler korrigert. Hört sich an, wie sich jede Sozio-Blubberei anhört, nur halt mit „Cyber“.

Und wenn man dann an solche Minister kommt, die zwar keine Ahnung haben, aber so völlig auf „Cyber“ abfahren, dann hat man bei einer Polit-geführten Think-Tank-Stiftung natürlich allerbeste Chancen. Es regiert der Laienkult, der Zeitgeist des leeren Geschwätzes.

Was haben wir eigentlich alle verbrochen, um von solchen Leuten regiert zu werden?

Was wählt man noch?

Nachtrag: Es passiert mir immer wieder und ich staune jedes Mal darüber, wenn sich Leser besser an meine Blog-Artikel erinnern, als ich selbst. (Wie ich schon oft schrieb: Ich blogge ja eigentlich nicht, weil mir das Bloggen so Spaß macht, sondern weil ich mir das Zeug alles aufschreiben muss, weil ich es mir nicht alles merken kann. Adele und die Fledermaus ist ja auch so entstanden, weil ich mir das nicht alles merken konnte und mir aufschreiben musste.) Ein Leser erinnerte mich daran, dass ich vor einem Jahr schon mal über de Maizières IT-Feuerwehr gespottet hatte. Damals ging es noch um Profis und nicht um Jugendliche. Damals ging es noch um Fachleute.

Ich hätte mich beim besten Willen nicht mehr an den Artikel von damals erinnern können. Ich schreibe und lese so viel, dass ich aus dem Stand nicht mal vollständig aufzählen könnte, welche Artikel ich gestern alle geschrieben habe.

Es ist aber interessant: Denn anscheinend hat das mit dem Feuerwehr-Plan nicht funktioniert, wenn de Maizière innerhalb eines Jahres von Profis auf ehrenamtliche Jugendliche umsteigt. War wohl nix, was?