Ansichten eines Informatikers

Fotografie und Malerei

Hadmut
23.10.2016 1:42

Von einem Samstag abend.[Nachtrag]

Es ärgert mich.

Sehr.

Es ist wieder Monat der Fotografie in Berlin. Findet alle zwei Jahr statt.

Vor 6 Jahren habe ich mir mal eine Woche Urlaub genommen, um da rumzuziehen. Damals schon drüber gebloggt, hier und hier.

Schon damals hatte ich das Problem, dass der Ausstellungsmonat überwiegend nur rein theoretisch stattfindet, weil man praktisch nicht reinkommt. Mal ist zu, mal noch nicht eröffnet, mal schon wieder beendet. Man hatte den Eindruck, der Monat ist oft nur angekündigt, aber nicht tatsächlich existent. Und wenn man reinkommt, war es häufig – naja, irgendwo im Dreieck zwischen seicht, enttäuschend und fotografisch mangelhaft. Die Fotos waren umso besser, je älter sie waren und je weiter weg der Fotograf von Berlin lebte. Ich habe mitunter den Eindruck, dass es in Berlin zwar eine riesige vernetzte Kunstszene gibt, aber keine Künstler, die was können. Damals habe ich fotografisch viel Berliner Mist gesehen. Einfach die Kamera irgendwo hingehalten, unscharf, falsch belichtet, und den Murks dann zur Kunstform erklärt. Und bei reichen, prominenten Fotografen gibt’s dann immer noch den Trick, die Bilder einfach riesengroß auszubelichten (dadurch werden sie eigentlich nicht besser, aber durch die Größe eindrucksvoller, ist aber teuer), in teuren Galerien auszuhängen und Eintritt zu nehmen. Dann finden es die Kritiker auch gut.

Die besten Bilder habe ich damals in den Botschaften der verschiedenen Ländern gesehen, die – teils aus lauter Langeweile – an diesen Ausstellungsmonaten teilnehmen und Bilder der Fotografen aus ihrem Land zeigten.

2012 und 2014 habe ich es – obwohl ich in Berlin war – nicht geschafft, auch nur zu einer einzigen Ausstellung zu gehen. Die Ausstellungslisten sind wie immer sehr unübersichtlich und die Termine wüst und zerklüftet. Außerdem oft nur während der normalen Bürozeiten zu erreichen, also für normale arbeitende Leute gar nicht. Aus irgendwelchen Gründen gibt es in Berlin ein enormes Ökosystem für Leute, die tagsüber Zeit haben und nicht arbeiten. (Ist mir am Wannsee auch schon aufgefallen, wieviele Leute da Zeit und Muße haben, den ganzen Tag rumzusitzen. Ich komme mir da immer auch verarscht vor. Geht mal am späten Vormittag in eine U-Bahn.)

Dafür war ich in den letzten Jahren ab und zu mal bei irgendwelchen Galerietagen wie dem Gallery Weekend, an denen Galerien in ganz Berlin an einem einzelnen Tag geöffnet und ausgestellt haben (da schaffen sie es dann, sich auf Öffnungszeiten zu einigen), komme aber stets zu dem Ergebnis, dass die Berliner Malerei noch viel schlechter als die Berliner Fotografie ist, und das will was heißen.

Zumal man sich in vielen Galerien auch als Störkörper vorkommt, viele scheinen gar nicht mit Besuch zu rechnen. Irgendwie scheint man sich da nur gegenseitig auf eine kleine Szene eingestellt zu haben.

Oder wirklich auf gar keine Kundschaft.

Ich staune in Berlin immer, was für Galerien es da gibt. Kleine, mittlere, große, in leeren Geschäften, in ehemaligen Friseurläden, in ehemaligen riesigen Bürgerwohnungen, in ehemaligen Kirchen, teils ganze Häuser, in denen alle Wohnungen zu Galerien umgebaut wurden … teils ganz enorm. Teils richtig schön. Und ich verstehe nie, wie die sich da finanzieren. Anscheinend haben viele aus alten Zeiten, als Berlin noch billig war, jede Menge Eigentumsfläche und müssen keine Miete zahlen (und haben es auch nicht nötig, es zu vermieten). Einige müssen aber schon ziemlich reich sein, denn so ein komplettes mehrstöckiges Haus oder eine Kirche, das ist schon ein Klotz. Und meist gibt die Kunst keine plausible Erklärung dafür. Entweder gibt es da draußen Leute, die für Mist sehr viel Geld bezahlen, oder sie machen Geldwäsche oder sie sind derbe defizitär und verbrennen aus Lust Geld. Ich weiß nicht. Ich war mal in einer Galerie, in der mir nur ein Stück positiv auffiel, bis ich merkte, dass es kein Kunstgegenstand der Galerie ist, sondern nur ein schöner Heizkörper, dessen Form ich noch nicht kannte. Und der war nur zum Heizen da. Ich wollte aber den Fehler nicht zugeben und bin wertschätzend und beeindruckt einfach vor dem Heizkörper stehengeblieben und habe so getan, als suchte ich die Beschreibung. Der Galerist stand sichtlich angepisst daneben, wollte aber auch nichts sagen. War das ein Spaß.

Wie gesagt, es wurmt mich immer wieder, dass ich weder reich bin noch mir in Berlin irgendwas größeres gekauft habe, als man es noch hinterhergeworfen bekam. (Wobei ich eigentlich auch damals nicht genug Geld hatte. Nach der Wende war ich armer Student.) Wenn man damals das Geld gehabt hätte, sich irgendwas größeres zu kaufen und es zu renovieren…

Jetzt hat’s mich aber gewurmt, dass es mit dem Monat der Fotografie 2016 wohl wieder nichts wird. Unter der Woche arbeite ich (war ja gerade erst in Urlaub) und abends und am Wochenende haben die meisten da zu.

Heute habe ich doch eine Ausstellung gefunden, und in der Zeitung dann noch eine zweite, eine Neueröffnung.

Die erste war die Fotobiennale, Unter den Linden 10, um die Ecke. Schon wieder mal riesige Ausstellungsräume. Wie machen die das alle nur? Und noch dazu in bester Lage.

Aber: Die Fotos waren gut. Da waren sogar einige richtig spitzenmäßige dabei. Internationale Fotografen eben. Und eine Auswahl, bei der man aus dem Vollen schöpfen konnte. Im Erdgeschoss dann Sonderausstellung Steve McCurry. Bekannt. Das ist der, der eins der bekanntesten Fotos der Welt geschossen hat, ich glaub, das gehört sogar zu den Top Ten, das Foto des afghanischen Mädchens namens Sharbat Gula, Titelbild National Geographic. Sicherlich eins der allerbesten, wenn nicht das beste Augen-Portrait überhaupt, die magischen Augen. Das eine Super-Foto, auf das jeder Fotograf hofft. Sie haben Jahre später mal nach dem Mädchen gesucht und sie auch wieder gefunden. Sie lebt, aber sie sieht inzwischen ziemlich fertig aus. Sie konnte sich daran noch erinnern, denn es war das einzige Mal, dass sie je fotografiert wurde. Aber sie wusste nicht, dass sie auf einem der bekanntesten und berühmtesten Fotos aller Zeiten ist. Irgendwo las ich mal, dass viele Kinder in Afghanistan so auffällig schöne und faszinierende Augen hätten.

Wie auch immer, das Foto war kein reiner Glückstreffer. Der Mann kann wirklich sehr gut fotografieren. Wenngleich so ein Supertreffer auch nicht wieder dabei war.

Insgesamt eine sehr sehenswerte Ausstellung, viele sehr gute Fotos, ich fand den Eintrittspreis von 10 Euro allerdings überteuert.

Weiter zur Eröffnung des KINDL. Ich dachte, die eröffnen die Ausstellung, haben aber das ganze Gebäude (neu-)eröffnet. Ein (offenbar wohlhabendes) Ehepaar hat die alte KINDL-Brauerei, in der sie bis 2005 gebraut haben, gebaut in den 1920er Jahren, gekauft und über Jahre zum Ausstellungsort umgebaut.

Und ich muss sagen, ich beneide sie ungemein. Das alte Brauhaus ist sehr beeindruckend, sowas hätte ich auch so gerne. Und schön hergerichtet.

Der einzige Haken: Ich fand die ausgestellten Bilder einfach lausig. Keins davon würde ich mir in die Wohnung hängen, nicht mal geschenkt. Irgendwie doof, wenn man sich so ein richtig tolles, geiles, schönes, altes, eindrucksvolles, architektonisch tolles, geschichtsträchtiges, toll eingerichtetes, teures Museum kauft und dann nichts g’scheites zum Reinhängen hat. Puuuh. Besser so als andersherum, denn die Ausstellungen wechseln, das Museum bleibt.

Überaus interessant und sehenswert sind dagegen die großen gekachelten Wandfotos in der benachbarten U-Bahn-Station der U8. Die zeigen nämlich auf zwei Bildern genau dieses Sudhaus der Brauerei auf Fotos aus den 20er und 30er Jahren. Und man sieht, dass es zwar etwas renoviert wurde, aber noch fast genau so wie damals aussieht. Die Fotos in der U-Bahn-Station sind weit besser als die Bilder in der Ausstellung, und damals in den 20er und 30er Jahren hat man kaum künstlerisch, sondern eher dokumentierend fotografiert. Auch viele Straßenansichten von Berlin, die übrigens auch wieder das zeigen, was mir schon oft auf alten Bildern oder Filmen aufgefallen ist: Berlin war von 100 Jahren sehr viel ordentlicher, sauberer, schöner, zivilisierter, angenehmer, als es heute ist. Das war man ne richtig schöne, vornehme, schnieke Stadt. Nicht der kriminelle verdreckte Müllhaufen von heute. Und das vor 100 Jahren. Berlin ist richtig degeneriert.

Das Fazit ist aber, dass heute Fotografie die Malerei deutlich geschlagen hat.

Nachtrag: Hat vielleicht irgendwer in Berlin ne alte Fabrik, Kirche, einen Knast oder sowas günstig abzugeben?