Ansichten eines Informatikers

Die inflationäre Entwertung der Promotion

Hadmut
10.10.2016 19:35

Wisst Ihr, was ich richtig dreist finde? [Update/Hintergründe]

Man hat inzwischen auch einer deutschen Fachhochschule das Promotionsrecht verliehen.

Moment, moment. Das finde ich jetzt noch nicht dreist.

Dreist finde ich, dass sich jetzt die Universitäten, ausgerechnet deutsche Universitäten, über eine angebliche Entwertung des Doktorgrades echauffieren.

Auchgerechnet deutsche Universitäten, die mit Wissenschaft und vor allem Doktorgraden noch schlimmer umgehen als Draghi mit dem Euro. Die besitzen die Frechheit, anderen die Entwertung des Doktors vorzuhalten. Das finde ich dreist.

Schön auch die Begründung für das Promotionsrecht:

Beim neuen – allein auf Hessen beschränkten – Promotionsrecht gelte das Motto “Klasse statt Masse”, teilte das Wissenschaftsministerium mit. Für die Verleihung eines Doktortitels kämen nur solche Fachrichtungen infrage, die “eine bestimmte Forschungsstärke nachgewiesen” hätten.

Dann müsste man erst mal die Frage stellen, warum eigentlich Fächer wie Gender Studies und überhaupt so manche deutsche Universität das Promotionsrecht hat, denn die haben keine Forschungsstärke, gar keine. Geschweige denn sie nachgewiesen. Insofern müssten die Universitäten erst mal vor der eigenen Tür kehren und dafür sorgen, dass es in solchen Geschwätzzentren wie Gender Studies oder Sozialwissenschaften keine Promotionen mehr gibt, oder mal eine ernsthafte Promotion in Medizin einführen, bevor sie irgendwas von Entwertung schwafeln. Oder diese unsäglichen inhaltslosen Gratis-Frauenquoten-Promotionen abschaffen. Denn noch wertloser können es die Fachhochschulen auch nicht. Im Gegenteil.

Die Sache hat jetzt nur einen Schönheitsfehler:

Das “Promotionszentrum Sozialwissenschaften” der Hochschule Fulda erfülle die Voraussetzungen, so das Ministerium. Die Fachrichtung werbe nicht nur genügend Drittmittel ein, sondern komme auch auf eine ausreichende Zahl von Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Publikationen. “Zudem hat die Hochschule Fulda in ihrer Promotionsordnung Regeln festgelegt, die den Prinzipien des Wissenschaftsrats zur ‘guten Promotion’ folgen”, so das Ministerium.

Wer um alles in der Welt ist denn so dämlich, Sozialwissenschaften für „forschungsstark” zu halten?

Ach, der hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein. Jurist. Juristen und Forschung. Noch Fragen?

Und dann die Begründung:

  • Sie werben genügend Drittmittel ein.

    Die gibt’s für Genderquatsch automatisch, da muss man nichts mehr können oder forschen.

  • Ausreichende Zahl von Veröffentlichungen.

    Auch das hat nichts mit Wissenschaft zu tun, in Sozialwissenschaften und dem ganzen Gender-Quatsch werden massenweise inhaltslose Pseudo-Veröffentlichungen produziert und im Kreis herum publiziert.

  • Prinzipien des Wissenschaftsrats zur ‘guten Promotion’.

    Die habe ich jetzt (ad hoc) nicht mal gefunden. Aber ich habe in den letzten Jahren Dutzende von solchen Empfhehlungen für gute wissenschaftliche Praxis und so gelesen, und da stand noch nie irgendwas von Forschung oder Wissenschaft drin.

    Die wesentliche Anforderung ist, dass man nicht abschreiben soll, ohne dabei die Quelle anzugeben. Mehr braucht man da nicht.

Also kein Stück Wissenschaft und Forschung. Kein bisschen.

Aber: Auch nicht schlimmer als die Universitäten. Die machen ja auch nichts mehr.

Update/Hintergründe:

Ein Leser wies mich gerade auf die Hintergründe der Aktion hin. Dazu muss man die Presseerklärung von Daniel May lesen:

„Die GRÜNEN im Landtag freuen sich, dass heute die erste Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) das Promotionsrecht erhalten hat. „Mit dieser bundesweiten Premiere wird ein wichtiger Bestandteil des Koalitionsvertrags von CDU und GRÜNEN und des grünen Programms umgesetzt“, betont Daniel May, hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag. „Wir waren 2012 die erste Fraktion, die das Promotionsrecht für forschungsstarke Fachbereiche an den früheren Fachhochschulen, den heutigen HAWen, gefordert hat. Wir freuen uns, dass heute mit der Verleihung eines eigenständigen Promotionsrechts an die Hochschule Fulda diese Forderung Wirklichkeit wird.“ Die Hochschule Fulda erhält das Promotionsrecht für ihr Promotionszentrum Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Globalisierung, Europäische Integration und Interkulturalität. Studierende können hier den Titel Doktor oder Doktorin der Sozialwissenschaften (Dr. rer. soc.) erwerben. […]”

Was natürlich sehr danach stinkt, als würden sich die Grünen hier gerade ihre eigenes Doktorgrad-Outlet aufmachen, sind doch viele Grüne trotz aller Fördermaßnahmen noch immer für die Universität zu doof. Die bestehenden Titelmühlen reichen einfach nicht mehr, um alle Politiker zu verdoktorn.

Interessantes Detail aber:

„Die HAWen haben sich verpflichtet, darauf besonderes Augenmerk zu legen. In manchen Punkten gehen sie dabei sogar weiter als die Universitäten: Betreuung und Bewertung der Doktorarbeiten werden beispielsweise strikt getrennt“, so May.

Das wäre freilich seriöser als jede deutsche Universität.

Aber deshalb noch lange nicht seriös. Man kennt ja das Spiel: Eine Hand wäscht die andere.