Ansichten eines Informatikers

Notfallstrickjacken

Hadmut
19.4.2016 1:02

Ja.

Das hat uns am Technologiestandort Deutschland gerade noch gefehlt.

Notfallstrickjacken stricken.

Manchmal komm ich mir echt wie Alice im Wunderland vor, wo einem nur abstruse Phantasiefiguren begegnen, die seltsame Dinge tun.

Unsere Bundesinternetbotschafterin Gesche Jost (SPD…) kommt zum Thema Internet-Ministerium mit Technologievorschlägen um die Ecke:

Welche Chancen stecken in der Digitalisierung? In einem “Design Research Lab Büro” entwerfen Gesche Joosts Studenten der Designforschung an der Universität der Künste zum Beispiel intelligente Kleidung wie eine “Notfallstrickjacke”, die gemeinsam mit alten Menschen entwickelt wurde. Darin wird Wolle mit leitendem Garn kombiniert, das einen Notruf ans Smartphone weitergeben kann. Beeindruckt zeigte sich Joost von den kreativen und technischen Fähigkeiten, die in ihrem Labor versammelt sind:

“Bei mir im Design Research Lab habe ich 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und es sind überwiegend Frauen, aber die Frauen stricken eben nicht nur, sie entwickeln die Apps dazu, die entwickeln den Schaltkreis, die löten den Mikrokontrolleur irgendwo an. Es ist schon eine sehr technische Angelegenheit und es gibt ganz tolle junge Frauen jetzt, die das alles vereinbaren und man nennt sie immer so nett die Hackerladys, weil die können einfach alles. Sie sind Anfang 20 und können eben programmieren, stricken und löten. Es ist total toll.”

Da könnte man sich echt entschließen, sich nur noch in die Ecke zu setzen und leise vor sich hinzuweinen.

Wir hätten soviele wichtige Dinge zu tun und zu entwickeln, und stattdessen kommen dann solche Quotenartefakte mit sowas daher.

Notfallstrickjacken mit leitendem Garn.

(Schon mal aufgefallen, dass eigentlich alles, was die vorschlägt, immer damit zu tun hat, leitendes Garn zu stricken und einen Arduino draufzupappen? Oder irgendwas mit Pelz zu bekleben? Mehr kommt da irgendwie nicht rüber.)

Als ob wir keine ernsthafteren Themen für ein Internet-Ministerium haben. Stricken.

Was machen die denn, wenn die Strickjacke mal in der Wäsche ist?

Oder es Sommer wird und die Leute keine Strickjacken tragen?

Oder sie keine Strickjacken mögen, weil, naja, Strickjacken eigentlich seit 10 oder 20 Jahren aus der Mode sind. Oder sie nicht jeden Tag dieselbe Jacke tragen wollen?

Und wie lange kann man die tragen, ohne sie in die Waschmaschine zu stecken? Wann stinken die? Oder kann man den angelöteten Microcontroller gleich mitwaschen? Und die Batterie?

Was, wenn sich da jemand was drüberlehrt und die Jacke Kurzschlüsse bekommt? Erbrochenes? Inkontinenz? Regen?

Schon mal drüber nachgedacht, dass Notfallgeräte gewisse Anforderungen an Zuverlässigkeit, Störsicherheit und Robustheit erfüllen müssen? Als ob eine Strickjacke mit leitenden Fäden die erfüllen könnte.

Ich weiß nicht, was ich gerade absurder finden soll:

Dass man so einen Scheiß entwickelt und noch öffentliches Geld dafür bekommt, oder dass man so jemanden auch noch als Internetbotschafterin, Ikone für Digitalisierung hinstellt und drauf reinfällt.

Und wenn ich dann noch so Aussprüche wie „es ist schon eine sehr technische Angelegenheit” höre…

Schlimm.

Alles so schlimm.

So unfassbar schlimm.