Ansichten eines Informatikers

Die unerträglichen Grenzen des Journalismus

Hadmut
4.4.2016 0:01

Schöner Artikel in der Wirtschaftswoche über das Versagen des Journalismus im Fall Theranos.

Ach, war das eine Jubelstory um Elizabeth Holmes. Gut aussehende (naja, zumindest gut fotografierte) junge Frau rollte die Technologie-Szene auf und machte sich mit Bluttestes zur Self-Made-Milliardärin, die Männern zeigt, wie es geht. Die durchgegenderte Presseszene drehte durch.

Und wie das so ist: Alle jubeln, keiner prüfte es nach. Und keiner merkte, dass die Nummer faul war. Also, sie haben es schon gemerkt, aber viel zu spät.

Die leicht schizophrene Haltung erklärt, warum der Niedergang von Theranos nach wie vor schockiert. Elizabeth Holmes und ihr Bluttest-Startup stehen heftig in der Kritik, nachdem ein Artikel im „Wall Street Journal“ begründete Zweifel an der Qualität des Verfahrens aufgeworfen hatte. Die zuständige Regierungsbehörde bekrittelt zudem die Sicherheit des Labors.

Nun veröffentlichte die unter Druck geratene Firma der 32-Jährigen eine Stellenausschreibung für einen Autoren und Schreiber, der „konzeptionell Probleme mithilfe ausgezeichneten Storytellings“ lösen könne. Die Anzeige sorgte schnell für hämische Kommentare, darunter die insbesondere von Journalisten geäußerte Vermutung, Theranos wolle seine Probleme schönschreiben. Das mag sein.

Doch beansprucht hier die gleiche Branche moralische Überlegenheit, die die Theranos-Story lange Zeit unterstützte und verbreitete. Journalisten hoben Elizabeth Holmes auf die Titelseite von „Forbes“ und „Fortune“. „Time“ setzte sie auf die Liste der „100 einflussreichsten Menschen“ 2015.

Starinvestor Tim Draper und Oracle-Gründer Larry Ellison investierten Millionen in Theranos, das die Kosten für medizinische Diagnosen dramatisch senken wollte und angeblich nur einen einzigen Tropfen Blut für diverse Analyseverfahren benötigte. Holmes beharrte stets darauf, dass ihr Produkt geheim sei.

Niemand war offenbar dazu in der Lage, nachzuprüfen, ob das Ganze überhaupt funktionierte. Aber anstatt das zuzugeben und Zweifel zu artikulieren, idealisierten einige Medien Holmes. Das Magazin „Inc.“ nannte sie „die neue Steve Jobs“, „Wired“ schwärmte von ihrem „überwältigenden“ Werk.

Man wollte unbedingt die feministische Entrepeneurin gesehen haben. Im Prinzip derselbe Fehler wie bei Gender Studies, auf Bio-Technologie übertragen.

Bin mal gespannt, wie oft sie sich die Finger verbrennen müssen, bis sie irgendwas merken.

Die Debatte um Elizabeth Holmes zeigt die unerträglichen Grenzen des Journalismus. Journalisten sind keine Biochemiker, keine hauptamtlichen Programmierer, das ist ein Nachteil. Aber sie sind der Zweifel, die Skepsis und manchmal auch der Widerstand. Handeln wir danach.

Gerade vorhin hatte ich per Twitter einen Disput mit ZDF Berlin Direkt. Die kennen auch keinen Zweifel, keine Skepsis. Die glauben alles, was politisch korrekt ist, und halten alles für falsch, was es nicht ist.