Ansichten eines Informatikers

Plötzliche Politische Inversion

Hadmut
4.2.2016 0:49

Kennt Ihr den Effekt, bei dem ein Magnet durch harte äußere Einflüsse urplötzlich seine Magnetisierung umkehrt?

Solche Effekte beobachtet man auch in politischer Hinsicht.

Jahrelang hieß es, der weiße Mann ist das Böse schlechthin, der Rest der Menschheit jedoch von Natur aus gut und tugendsam. Mit der Ausrottung des weißen Mannes wäre das Böse von der Welt zu tilgen. Man begann, sie zu gehorchenden Weicheiern zu erziehen.

Eine Silvesternacht reicht, und schon klappt das ins Gegenteil um.

Plötzlich vermisst man den „weißen Mann” als Beschützer, und die von ihm geschaffene Ordnung, die man gerade eben noch so beschimpfte. Und schon jammern die ersten, dass es den „Beschützer” nicht mehr gibt – und ausgerechnet die ZEIT schreibt es, die bisher als brachialstes aller verlogenen Gender-Propaganda-Blätter (naja, vielleicht nach dem FREITAG) auftrat:

Die Fragen kamen von einer Frau aus diesem Ressort Z. Ich habe mir diesen Artikel nicht ausgesucht. Ich wurde mit sanftem Druck zu ihm hingeführt. Gut, richtig gewehrt habe ich mich auch nicht.

Die Fragen bezogen sich auf die Kölner Silvesternacht und waren ein bisschen heikel: Weshalb hat es eigentlich keine Rangelei unter Männern gegeben? Warum haben die Partner der angegriffenen Frauen diese nicht mit all ihrer Kraft zu schützen versucht? Berichtet wurde über prügelnde Deutsche jedenfalls so gut wie nichts, stimmt. Die Kollegin sagte, sie habe in einem Fernsehbeitrag ein Interview mit so einem Freund einer attackierten Frau gesehen. Der Freund sei noch ganz schockiert gewesen und habe gezittert. Er habe gesagt: Seine Freundin sei belästigt worden, obgleich er sie an der Hand gehalten habe. “An der Hand gehalten!”, sagte die Kollegin mit allen Anzeichen der Ratlosigkeit. Dabei hätte er doch mit seinen Händen dazwischengehen müssen. Man müsse mal was Grundlegendes über den deutschen Mann schreiben. […]

Dann las ich einen Artikel in der FAZ. Die Autorin, Kerstin Holm, berichtete mit großer Sympathie von zwei russischen Schriftstellerinnen, die eine Krise europäischer Männlichkeit diagnostizierten. Es habe, sagte eine der Russinnen verwundert, in Köln keine “zerschlagenen männlichen Physiognomien” gegeben. Ob es etwa zum Sieg des Feminismus gehöre, dass die Frau für alles zuständig sei, auch für die Abwehr von Vergewaltigern? In Russland wäre ein Szenario wie in Köln undenkbar gewesen. Es wäre ohne Opfer unter den Angreifern nicht abgegangen, sagte sie noch. […]

Es gibt den Beschützer in Deutschland nicht mehr. Natürlich nicht. Der Beschützer ist aus weiblicher Sicht doch eine lächerliche Figur (zumindest sagen das die Frauen). Ich nutzte in den letzten Tagen in zwei Städten, in Hamburg und Berlin, den öffentlichen Personennahverkehr und beobachtete dabei die Männer, die ein- und ausstiegen. Gut, es mag an den Stadtteilen gelegen haben, aber die Männer entsprachen genau dem Männerbild, das die Zeitschrift Neon seit vielen Jahren verbreitet. Die jungen Männer waren sehr süß und sehr schlank, und man konnte das politisch ganz, ganz unkorrekte Ratespiel vollführen, sich zu fragen, wer von ihnen schwul war oder nur so tat. Viele trugen einen Bart, aber der verlieh ihnen nichts Männliches, im Gegenteil: Der Bart war genauso ein Zitat früherer Moden wie die Röhrenjeans und deshalb superironisch (vor allem bei sehr jungen Männern verstärkt der Vollbart übrigens das Bubihafte, weil die Absicht so sichtbar wird, erwachsener zu wirken, als man ist – egal). Die Männer, die im Wedding einstiegen, sahen natürlich sofort ganz anders aus: russischer, arabischer, stolzer und sehr unironisch. […]

Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken erzählte mir einmal, dass sie sich über den neuen Männertypus ärgere. Der Mann von heute sei eitel geworden, er beschäftige sich sehr mit seinem Körper. Er frage die Frau, ob er gut aussehe, ob der Pullover ihm stehe – ein schreckliches Getue. Klar, Frauen müssten sich erst einmal begehrt fühlen, um selbst begehren zu können. Aber ein Mann? Ein Mann, der sich devot zum Objekt des Begehrens mache, bringe alles durcheinander.

Das Durcheinander nennt man gender. Wer von gender spricht, meint die kulturelle Konstruktion von Geschlechtern – alles sei eine Frage der Erziehung und der Kultur. Ein Mann könne auch klassisch weibliches Verhalten an den Tag legen (was er ja tut!), die Frau auch klassisch männliches (was sie, um alles zu komplizieren, seltener tut). Das Durcheinander gilt heute als sehr wünschenswert. Daher irritiert es immer, wenn der Nachrichtensprecher verkündet, es seien bei irgendeinem Anschlag auch Frauen und Kinder unter den Opfern. Ja und? Das ist doch heute, wo Frauen und Männer in jeder Hinsicht gleichgestellt sind, völlig egal. […]

Man darf vom deutschen Mann nicht erwarten, dass er seine Frau beschützt. Das entspricht nicht seiner zeitgemäßen Rolle, und ein solcher Anspruch wäre letztlich auch ein Affront gegen die Gleichberechtigung. Die meisten Männer (nicht alle!) sind zwar aufgrund ihrer biologischen Ausstattung schlagkräftiger als Frauen, aber unwillig (und womöglich auch unfähig) zuzuschlagen. Frauen, die gerne beides hätten, den durchgegenderten Mann und den Beschützer, denen muss man leider sagen: Beides geht nicht!

Und auch der darin zitierte FAZ-Artikel Maskulinität in der Krise: Ja warum prügeln sie sich denn nicht?

Unter den Opfern jener Nacht habe es anscheinend keine „zerschlagenen männlichen Physiognomien“ gegeben, stellt Golowaniwskaja fest. Die Bewohnerin eines Landes, wo man sich zivile Freiheiten täglich erkämpfen muss, findet das höchst verstörend. Offenbar hätte auf der Domplatte nicht nur die Polizei versagt, sondern auch die Begleiter der Belästigungsopfer hätten sich vor den Randalierern schnellstmöglich verkrochen, mutmaßt die ruppige Russin. Oder gehöre es vielleicht zum Sieg des Feminismus, dass die Frau für alles selbst zuständig ist, auch für die Abwehr von Vergewaltigern, fragt sie rhetorisch.

Und auch die NZZ fragt:

Der postheroische Mann
Die Silvesterereignisse von Köln haben nicht nur die Verletzlichkeit der Frauen, sondern auch die Schwächen des westlichen metropolitanen Mannes offenbart. Wo war er, als es darauf ankam? […]

Der moderne Metropolenmann, könnte man schliessen, wird auf seinem eigenen Territorium mit einer archaisch anmutenden Männlichkeit konfrontiert, der er nichts entgegenzusetzen hat. […]

Besonders unsichtbar aber scheinen die Männer gewesen zu sein, die nicht zu den Belästigern gehörten. Wo waren sie in dieser Nacht? Bei den Facebook-Freunden erhielt ich verblüffende Antworten. Es seien in der Silvesternacht viele Frauen allein oder mit anderen Frauen unterwegs, ob ich etwas dagegen hätte? Ob ich verlangte, dass Frauen künftig nur noch in Begleitung von Männern ausgehen (dürften)?

Was war nochmals die Frage gewesen? […]

Die Jüngeren sind die friedfertige Generation, kennen keinen Krieg und selten Gewalt, haben sich als Einzelkind gegen konkurrierende Geschwister nicht durchsetzen müssen, leben geborgen im Hotel Mama. Eigentlich ist es unfair, sie dafür als Weicheier zu beschimpfen.

Sollen sie nun wieder auf «stark und beschützend» lernen und sich für die Rolle des benevolent, aber mit harter Hand herrschenden Patriarchen ertüchtigen, damit kein dahergelaufener Marokkaner ihre Frauen «antanzen» kann?

Jahrelang hat man auf die „Geschlechterstereotype” eingeprügelt, den „Mann” zertrümmert. Ich habe es früher schon in einigen Artikel berichtet: Das Familienministerium bezahlt Vereine, die Jungen in regelrechten Umerziehungslagern auf passives, duldendes Weichei abrichten.

Und jetzt plötzlich das Gegenteil, beschwert man sich darüber, dass Männer nicht mehr Männer sind und nicht mehr den Beschützer geben.

Auch die Paarbeziehung hat man abgeschafft. Frau braucht keinen Mann mehr, oder wechselt sie täglich, Frau alleine, Frau mit Frauen, Frau mit Lesbe. Schönwetterfeminismus. Doch bei der ersten Bedrohung die Frage: Wo ist der Mann?

Der Mann freilich fragt sich, warum er sich für diesen Typ Frau eigentlich prügeln soll – und was genau „prügeln” eigentlich ist.

Man hat genau das bekommen, was man jahrelang verlangt, erstritten, erreicht hat, und nun will man plötzlich zurück. Bedenke, worum Du bittest. Es könnte Dir gewährt werden.

Auch in einem anderen Punkt ist ein seltsamer Positionswechsel aufgetreten:

Jahrelang hat der Feminismus Vergewaltigungen erfunden und falsch beschuldigt, und dabei stets verlangt, dass die Unschuldsvermutung aufgehoben wird, dem „Opfer” blind geglaubt wird, der Täter seine Unschuld zu beweisen hat – wenn ihm das überhaupt noch gestattet wird. In vielen Ländern kommen Männer selbst bei offensichtlicher Unschuld gar nicht mehr zu Wort. Man erinnere sich an den Fall Kachelmann. Wer eine behauptete Vergewaltigung als erfunden entlarvt, ist ein böser Frauenfeind.

Doch plötzlich ist es genau andersherum.

Rechtsradikale erheben Vorwürfe wegen Vergewaltigungen durch Migranten. Das linksfeministische Lager dagegen beklagt sich über erfundene Vergewaltigungsvorwürfe und zu Unrecht inhaftierte Flüchtlinge.

Genau andersherum. Komischerweise hat man Kachelmann, obwohl Schweizer, keinen Migrantenstatus zuerkannt.

Erst hat man jahrelang das Mittel der erfunden Vergewaltigungsvorwürfe etabliert und instrumentalisiert, und plötzlich haben die Parteien, die dafür und dagegen waren, und die es genutzt oder darüber geschimpft haben, genau vertauscht.