Ansichten eines Informatikers

Frust und Hass. Nur noch Frust und Hass

Hadmut
1.11.2014 12:40

Ist Euch schon mal aufgefallen, wie sehr unser Journalismus (oder der kümmerliche Rest, der davon noch übrig ist), sprachlich verkümmert? Deutsch ist eigentlich eine der reichhaltigsten Sprache, hat deutlich mehr Begriffsvielfalt als die meisten anderen Sprachen (und auf Vielfalt fahren sie doch gerade alle ab). Aber wenn es um die Beschreibung negativer Meinungen und Haltungen (und damit in der Regel gegnerischer, weil die eigenen ja stets als positiv dargestellt werden) geht, gibt es fast nur noch zwei Vokabeln: Frust und Hass. Ersteres häufig als passiv partizip »frustriert«.

Leute sind nicht mehr verärgert, ablehnend, skeptisch, zweifelnd, sauer, gereizt, wütend, borniert, oder irgendsowas. Die journalistische Sprachbefähigung reduziert sich meist auf „Woher kommt all dieser Hass”.

Eine neue Form des Analphabetismus. Bei Journalisten.

19 Kommentare (RSS-Feed)

Emil
1.11.2014 12:49
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Das kommt wahrscheinlich davon, dass diese “JournalistInnen” sich einschlägige amerikanische Texte zum Vorbild nehmen. Da wird ja auch alles als “hate speech” bezeichnet, was nicht ins eigene, politisch korrekte Weldbild passt.


olav
1.11.2014 13:32
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Ein heutiges Beispiel dazu bei ZO: “Hass, Hass, Hass” schon in der Überschrift:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-10/shoshana-roberts-10-hours-walking-new-york

Vor Jahren schon habe ich mir abgewöhnt, regelmäßig auf SPON zu schauen – wegen der täglichen, meist ganz banalen Meldungen, die auf der Eingangsseite mit “Schock” und “Horror” betitelt wurden.


jck5000
1.11.2014 13:33
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“Frust” und “Hass” sind für Männer. Frauen sind “traurig” und “wütend”. Hast Du leider in deiner Aufzählung drin.

Darf ich OT für die Aktion “Lollipops for equality” werben?
http://lollipops4equality.wordpress.com


Frank
1.11.2014 15:50
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PropagandaSprech -Frust und Hass ist was für Verlierer.
So vermeidet man von Anfang an die Diskussion um die Sache, frustrierte Hasser sind eh im Unrecht.Das nimmt natürlich in dem Mass zu je klappriger die Kulissen des Systems werden und je mehr Menschen erkennen das dieses System längst nicht mehr ihre Intressen vertritt.
Mit Luschen kann selbst der ausgewichsteste Systemling keinen Grand spielen, wenn die besseren Argumente beim politischen Gegner liegen muss die Diskussion polemisch verweigert werden.


Die nase
1.11.2014 16:55
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Der Sprachgebrauch verkümmert nicht nur er ist auch einfach falsch. In der letzten Zeit wird über abgefangene Flugzeuge berichtet. Nicht ein einziges russisches Flugzeug wurde abgefangen, sie wurden begleitet. Als ich die hohe Anzahl der Flüge gelesen habe war mir klar was der Russe vorhat. Durch die Alarmstarts der NATO Flugzeuge werden die Flugdinger derart hart Beansprucht das in kürze keins mehr startet. Die Tage waren es nur noch drei. Die anderen haben es wohl schon mitbekommen war gespielt wird. Aber nicht unsere Journalisten. Die schreiben nach Vorgaben. So wie sie es einst den DDR Journalisten vorgeworfen haben. Ob sie noch in den Spiegel schauen können?


scanner
1.11.2014 16:56
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Das ist nur eines der kleinen unscheinbaren Stadien richtung doppelplusgut.


toff
1.11.2014 17:55
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Häufungen der Worte “Frust” und “Hass” sind mir nicht besonders aufgefallen, aber ich stelle fast über alle Medien eine Verrohung und Trivialisierung fest:

Z.B. sind “scheiße” und “geil” keine Worte mehr, mit denen man Tabus verletzt; sie gehören mittlerweile im Fernsehen sogar schon am Tage zur Normalität; auch in vielen Printmedien.

Ich würde wetten, forderte man die Menschen auf, jeweils wenigstens 10 Alternativen für diese beiden Worte zu benennen, kämen vermutlich sehr viele Leute ins Schwimmen.

Darüber hinaus habe ich den Eindruck, daß Aggresivität, Frust und damit vielleicht auch Hass gesellschaftsweit zugenommen haben. Woran das liegt weiß ich nicht, aber heutzutage scheint jeder seine Hass-Zielgruppe zu haben, die dann heimlich oder offen abgearbeitet wird – bei den meisten Menschen passiv-verbal.
Es scheinen sich mehrere Abgründe zu öffnen, vielerlei Konflikte gleichzeitig aufzuflammen – Männer/Frauen, Alt/Jung, Feministen/Antifeministen, Reich/Arm, Beamte/Angestellte, Arbeitende/Arbeitslose, Islamanhänger/Islamwarner, energische Einwanderungsbeführworter/-Gegner, …

sogar bei so einer lächerlichen Lappalie unter quasi-Kindern wie diesem “Gamergate” letztens loderte ein Hass, eine destruktive Energie, eine Böswilligkeit auf, die einen entsetzt zurückschrecken ließ – wie gesagt, nur wegen Kinderkram unter Computerspielern.

Das Aggressionsniveau scheint stark gestiegen zu sein, statt entspannt und friedlich, scheinen mir immer mehr Menschen mehr oder weniger heimlich angespannt und … lauernd.
Für Deutschland scheint mir das eine neue, zumindest mir unbekannte Entwicklung zu sein,
In den USA (Amokläufe) und GB (knifings/stabbings), teilweise auch F, gibt es das schon länger; das gesellschaftliche Klima ist dort schon länger verbittert und frustriert-bösartig: Man schaue nur allein auf diese Liste:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_school_shootings_in_the_United_States#2010s

Ich kann es nicht genau in Worte fassen, aber in den 2000ern, verglichen mit den 1990ern und heute, hat sich irgendetwas bei uns verändert – damals waren die Menschen… freundlicher, entspannter, fröhlicher… (Wie das jetzt klingen muss… naja, mir fehlen hier wie gesagt päzise Worte als auch eine präzisere Diagnose).

Vielleicht stimmt es, daß es unserer Psyche und auch unseren Eigenschaften (siehe Dysgenik, Dekadenz) schadet, wenn zu lange kein Krieg war. Es gibt einige Aspekte, die diese Ansicht unterstützen, z.B. den Wirtschaftsaufschwung durch einen Wiederaufbau bzw. den Männermangel (=Frauenüberschuß … heute gibt es ja sogar immer mehr, wie wikipedia es formuliert,”Menschen ohne Beziehungserfahrung”), oder die evtl. Pessismismus verursachende Tatsache, daß in unserer kriegslosen Gesellschaft alle wertvollen sozial-gesell. Positionen und Nischen schon voll besetzt sind und man auch nicht “ausweichen” kann.
Dies führt vielleicht auch bei uns Säugetieren zu ähnlichen Ergebnissen wie dem “Rat utopia”
http://www.mostlyodd.com/death-by-utopia/
http://en.wikipedia.org/wiki/Behavioral_sink


dirty_mind
1.11.2014 18:26
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@olav

101 sexuelle Beleidigungen in 10 Stunden.

Darunter solche Schocker wie

What’s up beautiful, have a good day!
God bless you mami!
Hey Baby!
Have a nice evening!
Hallo good morning!

Das muss wirklich sehr hart sein.

Und der Speichel textet

“Wie geht’s, Hübsche?”, “Gott segne dich, Mami”, “Nett!” Das sind nur drei der mehr als hundert Sprüche, die sich die Schauspielerin Shoshana Roberts von Männern anhören musste, als sie durch New York spazierte. Pfiffe, anzügliche Blicke und Gesten nicht mitgerechnet.”

Diese Blicke und Gesten müssen echt die Hölle gewesen sein.


Beifpflicher
1.11.2014 19:29
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Ach, da fallen mir noch einige andere Symptome der Sprachverhunzung durch die Journaille ein. –

Am meisten nervt mich das seit ca. einem Jahrzehnt permanent und überall abgelassene „letztendlich“ (seltener “letztlich“, bzw. „schlussendlich“). Sodann wird heutzutage alles nur noch „umgesetzt“ (spart offenbar das Verwenden von passenden Verben).
Ebenso kann ich das blöde „angesagt“ auch nicht mehr lesen oder hören.

Was die gesprochene Sprache anbelangt, hört man seitens der gossmauligen „Dschurnalisten“ immer öfters falsche Betonungen. –
So gibt es die klare Regel, dass in Wortzusammensetzungen die Vorwörter, bzw. das Bestimmungswort betont wird. Es heißt z. B. HAUStürschlüssel und ABwarten (Betonung gross geschrieben).
Unsere ach so versierten Laber_Innen in Funk und Fersehen lassen indes immer öfter „abSCICHTLICH“, „notWENDIG“, ArbeitsLOSENgeld, „BusHALTEstelle“ usw. hören. –

Und das schlimme ist, 80 Mio Blasrohrkriecher plappern all das brav nach, es kommt ja schließlich von den hochverehrten „Diskurshoheiten“


Noob
1.11.2014 19:44
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Ich denke, daß hängt eher mit der Verblödung der Massen zusammen. Bei “ablehnend, skeptisch, zweifelnd, sauer, gereizt, wütend, borniert, oder …” müsste man ja mehrere Ansichten, Meinungen etc. Akzeptieren und differenzieren können, das macht Arbeit und man muss die grauen Zellen benutzen.

Ein Beispiel: Verschleierte Frauen, da wird dochg gleich über die Männer hergezogen, aber vlt. will es die Frau, die man gerade vollverschleiert sieht selbst so. Aber nein, daß kann ja nicht so sein. Selbst erlebt, das war auch bei so einem Religiösen halbfanatiker.


Noob
1.11.2014 19:49
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@ olav:
“Für viele Frauen ist das aber Alltag, nicht nur in New York. Frauen können sich sehr viel schlechter gegen sexuelle Belästigung wehren, als sie von sich denken, haben Psychologen der Uni Bielefeld in einer Metastudie gezeigt. Bekamen die Probandinnen eine Situation nur geschildert – ein Kommilitone, der anzügliche Bemerkungen im Chat schreibt – gaben die meisten an, sie würden den Chat sofort abbrechen und sich bei der Versuchsleitung beschweren. In der Gruppe, die der Belästigung aber tatsächlich ausgesetzt war, tat das nur eine von 78 Teilnehmerinnen. …und wie viel Überwindung es kostet, sich aktiv zur Wehr zu setzen.”

Also, sorry. Wenn es jemandem zu schwer ist einen Chat abzubrechen, dann ist dieser Person echt nicht mehr zu helfen.


Frank
1.11.2014 22:56
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@Die Nase

Ob die noch in den Spiegel schauen können?
Die haben keine Wahl -müssen Miete zahlen, die Leasingraten für ihr Auto…das Hamsterrad muß sich drehen.
Können einem nur leid tun, haben sich das sicher mal so vorgestellt wie Robert Redford und Dustin Hoffmann in Watergate..
Und nun das :jeden verdammten Tag die Leute belügen und das wider besseres Wissen und eigenes Empfinden, die unsichtbare Schere stehts im Kopf… und den leeren Schreibtisch nebenan.


aga80
1.11.2014 23:01
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Die Damen sind offenbar nicht kreativ genug Ihre “Meinung” in Worte zu Fassen, was eigentlich schon Bände über diese Journalistinnen aussagt.
Da wird nix eigenes auf die Beine gestellt, sondern nur die US-Bausteine aus Kampagnen notdürftig übersetzt.


wups
1.11.2014 23:32
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Wie soll man denn negative Meinungen und Haltungen differenziert beschreiben können, wenn schon die eigene – im Regelfall als positiv gesehene – Meinung nicht als differenziert im Hinblick auf Fakten und Argumente betrachtet und erläutert wird ?

Der Zeitgeist der Meinungsmonopolisierung und der Denkverbote schlägt halt Schneisen in das rationale Denken, die sich im Endeffekt auch in der Sprache niederschlagen.

Als Konklusio bleibt, das es mehr beunruhigend ist, dass die jeweilige Position nicht mehr vernünftig erläutert, beschrieben und verteidigt wird (was Hadmut beständig aufzeigt).

Was über bleibt ist eine undefinierbare Haltungs-, Meinungs- und Kulturpseudowohlfühlsauce, die man einfach nachplappern muss und sich dabei nicht dem Risiko aussetzt auf intellektuelle Fähigkeiten in einer mehr oder minder großen Öffentlichkeit getestet zu werden.


Name
2.11.2014 0:29
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Fahrzeuge egal welcher Art “rasen” ja auch grundsätzlich, wenn sie in einen Unfall verwickelt sind.


Joe
2.11.2014 1:27
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Da wird nix eigenes auf die Beine gestellt, sondern nur die US-Bausteine aus Kampagnen notdürftig übersetzt.

Exakt das. Und man kann sogar durch Rückübersetzung dieses Deutsch-Pidgins wieder die ursprüngliche Aussage ergründen.


Spruance
3.11.2014 16:23
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Das zweite, laut Medien, neben dem Hass möglich Gefühl ist die Angst.

Nicht etwa

Furcht, Beklemmung, Bange, Ängstlichkeit, Panik, Scheu, Todesangst, Furchtsamkeit, Horror, Bangigkeit, Grausen, Schreck; ugs.: Bammel, Fracksausen, Zähneklappern, Heidenangst, Höllenangst, Herzklopfen; derb: Schiss
Sorge, Unruhe, Besorgnis, Befürchtung, Kümmernis, Beunruhigung
Feigheit, Mutlosigkeit, Kleinmut

Reiche Sprache, arme Leute.


Ron
4.11.2014 2:53
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Es ist schon ein paar Jährchen her, aber irgendwie idt dieser Link immer noch bedeutend:

http://www.spiegel.de/spiegel/a-622703.html


[…] Sind wir eine hasserfüllte Gesellschaft? Aber nein – wir doch nicht! Bei soviel Toleranz, die wir einfordern und praktizieren – wo sollte da Raum für Hass sein? Indes ist einem intelligenten Blogger jüngst aufgefallen, dass in unserer Gesellschaft doch Hass zu finden ist – und zwar interessanterweise oft bei denen, welche durch Kritik an Aspekten unserer Gesellschaft auffallen. Dass sie hasserfüllt sind, erklären uns allerdings nicht sie selber (da waren die Böhsen Onkelz noch ehrlicher) – das machen die Medien. https://www.danisch.de/blog/2014/11/01/frust-und-hass-nur-noch-frust-und-hass/ […]