Ansichten eines Informatikers

Antwort vom Bundesverfassungsgericht

Hadmut
27.4.2014 9:43

Ich hatte doch neulich darüber geschrieben, dass ich das ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts für gezielt fehlerhaft halte.

Im Urteil zitiert man zur Begründung der angeblichen Gleichstellungspflicht aus Art. 3 GG für das ZDF ein anderes Urteil. Das aber kann nicht stimmen, denn die Formulierung in Art. 3 GG, aus der das Bundeverfassungsgericht eine Gleichstellung herauslesen will, wurde 1994 in das Grundgesetz eingefügt, während das zitierte Urteil von 1991 stammt, als dazu gar keine Erwägungen enthalten kann (und auch nicht enthält). Deshalb habe ich beim BVerfG mal angefragt, ob es sich um einen „Schreibfehler” handelt.

Nach nun fast 3 Wochen habe ich die Antwort erhalten, sie schreiben mir einen ganzen Satz:

Sehr geehrter Herr Danisch,

in Beantwortung Ihrer obengenannten Anfrage wird mitgeteilt, dass die von Ihnen angesprochene Fundstelle BVerfGE 83, 238 <336> im Urteil des Ersten Senats vom 25. März 2014 korrekt ist.

Darf sich jeder selbst was dazu denken.

16 Kommentare (RSS-Feed)

Oliver K
27.4.2014 10:58
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Der grundlegende Fehler des gegenwaertigen “Rechtssystem” ist, dass es sich nicht auf Wahrheit bezieht, sondern nur auf Prozeduren.

Vielleicht genauer, ist es fuer das System wichtig, Wahrheit vorzutaeuschen (wie in der Antwort ja auch “korrekt” verwendet wird), aber dies wird alleinig durch Prozeduren behandelt: die Antwort sollte eine Begruendung enthalten (warum sie denn die Frage beantwortet!) — diese aber wird durch die Prozedur des Antwortgebens ersetzt.

Weiterhin sollte die Moeglichkeit des Angreifens der Begruendung gegeben sein; ich nehme aber an, alleinig durch die Tatsache des Antwortens ist nun eine Tatsache geschaffen, die nicht mehr hinterfragt werden kann. (Dafuer gibt es den wunderschoenen Begriff der “Rechtssicherheit”, der bedeutet, dass was einmal verlautet wurde, zu einer fast ewigen “Wahrheit” wird. Jeder Fehler, den das “Rechtssystem” macht, staerkt dadurch seine Position, weil es sich eben auf vergangene Fehler stuetzen kann.)


Wolle
27.4.2014 11:34
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Die Art der Antwort spricht für sich selbst. Sie haben Recht und können uns trotzdem kreuzweise, wäre ehrlicher gewesen.


Fry
27.4.2014 11:36
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Die machen das nicht so, weil es rechtens ist, sondern weil sie es so wollen und offenbar folgenlos auch tun können.

Wer glaubt denn ernsthaft, in einer Demokratie gäbe es kein Establishment, das hinter den Kulissen die Strippen zieht? Das die Gewaltenteilung ignoriert, weil es Vertreter in jeder dieser Gewalten hat, die sich absprechen. Eine Schattenorganisation, die die Mechanismen der offiziellen Machtaufteilung vorspielt, aber in Wirklichkeit fein aufeinander abgestimmt funktioniert.

Es war, glaube ich, Octavian, der dieses Prinzip historisch perfektioniert hat. Nach außen hin Republik und Rechtsstaat, in Wirklichkeit wenige Strippenzieher, die tun was sie wollen. Da gibt es graduelle Unterschiede (etwa zwischen EU, USA, China und Nordkorea, in dieser Reihenfolge), aber das Prinzip ist universell.

Mann, ich hätte nie gedacht, mich mal so von schönen Illusionen trennen zu müssen. Aber besser sehend als blind sein, auch wenn’s manchmal weh tut, was man da so sieht.


In Foren nennt man solche Antworten Getrolle, an der Frage vorbei.

Carsten

“Wenn die Kategorien falsch gewählt werden, ist ein vielbändiges Lebenswerk mit wenigen Argumenten vernichtet.”
Prof. Peter Kern


Emil
27.4.2014 16:34
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Worauf bezieht sich denn die genannte Fundstelle BVerfGE 83, 238 eigentlich?

Meiner laienhaften Meinung nach müsste es sich um Absatz 336 des 6. Rundfunk-Urteils (WDR-Urteil) handeln.

Der lautet:
“(1) Der Schulrundfunkausschuß überwacht die Veranstaltung von Bildungssendungen mit Schulcharakter. Bildungssendungen mit Schulcharakter können nur im Einvernehmen mit dem Schulrundfunkausschuß veranstaltet werden.”

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv083238.html

Also irgendjemand sitzt hier im falschen Film.


Jens
27.4.2014 18:39
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@Emil: Nein, nicht Absatz 336, sondern Seite 336 (nach der Paginierung in der als amtlich bezeichneten Entscheidungssammlung). Deine Meinung war also zu laienhaft.


Jens
27.4.2014 18:42
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“sie schreiben mir einen ganzen Satz”

Und, welche Amtsbezeichnung hat der Unterzeichnende? Wie ich vermutet hatte nicht unter OAR?


Hadmut
27.4.2014 18:43
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Oberamtsrat.


Ano Nym
27.4.2014 18:52
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@Emil: <336> ist eine Seitenzahl. Die Seite 336 beginnt in Absatz 505 der von dir genannten Quelle (gelbe Markierungen).


jd.
27.4.2014 21:30
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Ich vermute eher, OAR hin oder her, daß die Anfrage nur oberflächlich gelesen und der Sachverhalt ebenfalls nur oberflächlich geprüft und verstanden wurde, wenn überhaupt. Und warum machen die das so – siehe die Antworten von Oliver K und Fry…


Emil
27.4.2014 22:57
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@Jens / Ano Nym
Danke, das ergibt Sinn. Es bezieht sich offenbar auf folgenden Satz:

“Zwar hat der Gesetzgeber die Frauenverbände nicht berücksichtigt, jedoch verlangt, daß Frauen bei der Wahl oder Entsendung von Mitgliedern der Kontrollgremien angemessen berücksichtigt werden.”

Von Gleichstellung steht da allerdings nichts.


Hanz Moser
28.4.2014 22:07
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“Frauen […] angemessen beruecksichtigt”

Das kann auch damals schon nur Gleichstellung gehiessen haben. Zumindest ist das jetzt die kanonische Interpretation.


Chrisi
23.5.2014 23:26
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Lieber Hartmut,

Interessenten können gerne unter den BT-Drucksachen 12/6000 S. 49 ff und 12/7109 S. 6 ff sowie in Maunz/Dürig unter Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nachlesen. Dort geht klar hervor, dass der Verfassungsgeber bewusst das Wort “Gleichberechtigung” gewählt und das Wort “Gleichstellung” vermieden hat. Insoweit kann die o.g. Ausführung nicht stimmen.


Hadmut
23.5.2014 23:41
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@Chrisi: Kannst Du das auch mal in einen geschlossenen, nachvollziehbaren Gedankengang bringen?


Chrisi
24.5.2014 0:14
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http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/49930439_kw11_bundeswahlausschuss/216388
Hier könnt Ihr sehen, wie der BWL mit “Frauenquoten” umgeht.
@Hartmut: Vielleicht könntest mal bitte ein paar Personen auftreiben, die demnächst Wahleinspruch einlegen werden? Dann könnte dieser Schwachsin bald in einen ZULÄSSIGEN Verfahren vor dem BVerfG landen.


Seppo
24.5.2014 19:26
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Hallo,

leider ist der Ansatz verfehlt.

Das Bundesverfassungsgericht zitiert nicht BVerfGE 83, 238 , um den Satz “Schließlich ist der Gesetzgeber auch hier ebenso wie die entsendende Exekutive an den Gleichstellungsauftrag des Art. GG Artikel 3 Abs. GG Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG gebunden.” zu begründen.

Es zitiert in Absatz 63 die Entscheidung BVerfGE 83, 238,334f, um folgenden Satz zu begründen:

“Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich, ob die Ausgestaltung am Maßstab der Vielfaltsicherung orientiert ist und hierauf bezogen bei realitätsgerechter Betrachtung zu einem vertretbaren Ergebnis führt (vgl. BVerfGE 83, BVERFGE Jahr 83 Seite 238 ).”

Und tatsächlich beschäftigt sich das Urteil BVerfGE 83, 234 ff mit der Verfassungsmäßigkeit des NRW-Rundfunkrechts, und nicht mit Art 3(2)2 GG. Den gab es damals tatsächlich noch nicht.