Ansichten eines Informatikers

16 Uhr 50 ab Paddington

Hadmut
6.5.2013 21:43

Ich war gestern noch zur Mördersuche im BKA.

Im BKA-Theater in Berlin. (BKA = Berliner Kabarett Anstalt)

Ich hatte mir spontan an einem Vorverkaufsschalter eine Eintrittskarte gekauft, nur wegen des Titels „16 Uhr 50 ab Paddington” (natürlich Agatha Christies Miss Marple) ohne irgendwie zu wissen, auf was für eine Art Vorstellung ich mich da einließ.

Das Theater ist urig, und oben im 5. Stock im ausgebauten Dach eines normalen Hauses, man fährt mit einem schrecklich langsamen Fahrstuhl nach oben. Die Langsamkeit des Fahrstuhls ließ mir Gelegenheit zu fühlen, dass sich während der Fahrt der Boden der Kabine etwas verwindete. Nun ja. Oben angekommen findet sich ein eher kleines, aber feines Theater.

Der besondere Witz der Veranstaltung war, dass es eigentlich kein Theaterstück war, sondern eine Art Live-Performance. Der Krimi wurde von mehreren Sprechern und zwei Geräuschemachern (einem mechanischen und einem elektronischen) als Hörspiel aufgeführt. Im Prinzip standen sie nur an Mikrofonen und deuteten nur gelegentlich die Handlung durch Bewegungen an. Soweit ich mich an den Filmklassiker erinnere (und ich habe ihn oft gesehen), schien mir der Text ziemlich oder sogar genau wörtlich mit dem deutsch synchronisierten Film übereinzustimmen, den jeder kennt und liebt. Nur eine Szene ist mir spontan eingefallen, die sie weggelassen hatten, Miss Marple bei der Arbeitsvermittlung.

Erstaunlicherweise funktionierte das. Man muss den Film gar nicht sehen, der Ton reicht schon völlig. Ob das nun daran liegt, dass ich den Film schon so oft gesehen habe, oder dass die Handlung wirklich ohne Bild auskommt, sei dahingestellt. Ich hätte jedenfalls ständig die Filmbilder vor dem Auge, gerade auch weil sie die Stimmen und die Geräusche so gut getroffen haben.

Und es war viel, viel lustiger als der Film.

Worin liegt darin jetzt die Komik? Wenn Leute sich auf eine Bühne stellen und einen Film nachsprechen?

Einmal natürlich an der Art und Weise, mit Situationskomik und wenn mal was nicht klappt oder schiefgeht (wobei mir nicht ganz klar war, ob da ab und zu mal was schief lief, weil es nicht so ausführlich geprobt und so häufig vorgespielt wurde, oder ob das Absicht war, es brachte jedenfalls die Lacher.)

Und zum anderen natürlich die Sprecher und ihre Sprechtalente, von denen die meisten mehrere Rollen hatten und die Stimme ständig ändern mussten.

Miss Marple wurde von Ades Zabel/Edith Schröder gesprochen, so eine Art, ja ich weiß auch nicht, Tunte? Transe? Berliner Dame Edna? War jedenfalls ulkig.

Der Brüller war aber Santiago Ziesmer als Mister Stringer und als der alte Ackenthorpe. Zwei Stimmen, die sich völlig unterschiedlich anhörten. Wobei Stringer in der typischen Ziesmer-Stimme besonders gut rüberkam. Wem der Name nichts sagt: Das ist der Synchronsprecher von Steve Urkel und Sponge Bob.

Außerdem Harald Effenberg als Inspector Craddock und als Gärtner, und Sascha Gluth, Heiko Akrap und Ronald Schaller in verschiedenen Rollen. Was verblüffte, denn es waren nur Männer, die aber auch die Frauenrollen (abgesehen natürlich von der tuntig überdrehten Miss Marple) erstaunlich echt und überzeugend hinbekamen.

Hat Spaß gemacht.

Ist natürlich was für Leute, die die Miss-Marple Filme kennen und lieben. Aber wer täte das nicht?

Scheint nur leider keine weiteren Aufführungen zu geben.

2 Kommentare (RSS-Feed)

Skeptiker
6.5.2013 23:46
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Glaubt ihm nichts, das ist nur eine Coverstory, um seine Anwesenheit in Berlin zu erklären. In Wirklichkeit hockt er hinter der HU mit einem Richtmikrofon im Gebüsch 🙂

Nein, ernsthaft, interessante Idee ein Hörspiel live aufzuführen und dabei den Schauspielern und Tonleuten Gelegenheit zu geben, zu zeigen, was sie können. Natürlich funktionieren Hörspiele (und schlussendlich Romane etc.) auch “nur” mit Kopfkino.

Aber die sind speziell dafür gemacht. Ich kenne den Effekt, beim Fernsehen halb einzudösen, also zuhören geht noch, gucken geht schon nicht mehr, und das über längere Zeiträume … sagen wir 10, 15 Minuten (geschätzt). Aber wach genug, um mich später an die Szenen zu erinnern (bis ich dann doch wegpenne) oder auch mal zu grinsen, wenn es komisch ist, aber die Augen bleiben zu. Bei Nachrichten und Dokus etc ist das banal, aber es funktioniert auch bei Spielfilmen und auch, wenn nur gehandelt und nicht geredet wird, jedenfalls solange überhaupt irgendein Ton zu hören ist.

Natürlich hab ich da den Anschub, wenn ich am Anfang noch geguckt habe, aber den hattest Du durch die Kenntnis des Originalfilms ja auch.


Der_Schwede
7.5.2013 10:33
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