Ansichten eines Informatikers

Brennendes Stroh

Hadmut
28.8.2012 23:03

Ich muss mich gerade so als Laie etwas wundern. Über Stroh.

Kam ja nun schon in den Nachrichten: Gestern haben sie bei Bauarbeiten in München-Schwabing eine 250kg-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg ausgebuddelt. Und Schwabing evakuiert. Gestern abend haben sie die Entschärfung abgeblasen und heute nochmal mit einflogenen Experten versucht. Weil’s nicht ging, haben sie die Bombe vorhin gesprengt. War selbst hier in Unterföhring deutlich zu hören.

Der Grund für diese eilige Sprengung wurde in der hiesigen Presse besprochen. Diese Bombe war von einem Typ mit einem besonders perfiden Zünder, der damals im Krieg erst mit großer Verzögerung (2-144 Stunden) nach dem Aufschlag zündete, um auch die Rettungs- und Löscharbeiten zu gefährden bzw. die Feuerwehr mit zu erledigen. Der Zünder funktioniert, indem beim Abwurf der Bombe durch den Luftstrom ein Propeller am Heck der Bombe gedreht wird, der einen Bolzen in die Bombe schraubt, die eine Glasampulle zerstört, die Aceton freisetzt, das Ringe aus Zelluloid auflöst, die nach ihrer Auflösung Kugeln nicht mehr blockieren können, die dort, wo sie waren, einen Schlagbolzen am federgespannten Einschlagen des Zündhütchens hinderten. Das Problem war, dass sie von aussen nicht sehen konnten, ob dieser Zeitverzögerungszünder durch die Bauarbeiten schon ausgelöst worden war und die Bombe von selbst hochgehen würde. Deshalb konnten sie da nicht lange warten und haben das lieber unter Kontrolle hochgejagt. Sie meinten, die Zünder seien auch heute noch voll intakt und funktionsfähig. Was ich sehr erstaunlich finde, und was für die Qualität spricht. Am meisten verblüfft mich, dass die Federspannung noch da ist und ausreicht, das Hütchen zu zünden. Verständlich, dass sie nicht mehr, wie eigentlich gesetzlich vorgeschrieben, bis zum Tageslicht gewartet haben.

Es war auch darüber berichtet worden, dass sie im Vorfeld der Entschärfungsversuche die Bombe dick in Sandsäcke und Stroh eingepackt haben, weil das die Sprengwirkung dämpfen soll. Sowas habe ich schon mehrfach im Fernsehen bei anderen Bombenfunden gesehen. Irgendwo kam mal ein Bericht über eine Bombe, bei der sie sich trauten, sie noch durch evakuiertes Stadtgebiet bis raus auf einen offenes Feld zu fahren, wo sie ein riesiges Nest aus eben Stroh und Sandsäcken gebaut haben, was den Rumms dämpfen sollte. Scheint gängige Technik zu sein.

Nun wurde aber berichtet, dass es in der Straße in Schwabing seit der Sprengung ordentlich brennt. Man hörte auch diverse Martinshörner und es kursieren Fotos (allerdings haben einige Idioten auch Bilder von anderen Bränden als angebliche Schwabing-Bilder in Umlauf gebracht). Soweit bisher zu lesen war, brennen an einigen Häusern die Dachstühle, und in der Presse und bei der Stadt war zu lesen, dass die Brände verursacht wurden, weil brennendes Stroh durch die Gegend flog.

Ist das wirklich eine gute Idee, bei einer kontrollierten Sprengung die Bombe mit brennbarem Material einzuwickeln, das dann durch die Gegend fliegt?

Kommt mir so als Laie nun nicht so sinnvoll vor. Kann doch nicht sein, dass das zum ersten Mal passiert ist, wenn die öfters Stroh verwenden.

Ein wesentlicher Punkt ist natürlich, wieviel Stroh die da verwendet haben. Da müsste man dann erst mal Alternativen in ausreichender Menge haben, aber sowas würde ich eigentlich erwarten. Bei Häusersprengungen verwenden sie häufig Filzmatten mit Maschendraht, was anscheinend dieses Problem nicht mit sich bringt. Also richtig kenne ich mich da nicht aus, ich bin Laie.

Aber irgendwie kommt es mir doch fragwürdig vor, dass die da in der Stadt mit brennendem Stroh schießen und Häuser in Brand stecken. Da muss sich doch irgendwas anderes finden lassen.

21 Kommentare (RSS-Feed)

Thomas D.
28.8.2012 23:22
Kommentarlink

Evtl. Lösungen mit Wasser, z.B.
http://www.compositionx.de/363.php
Ob das bei der Größe so einer Bombe noch praktikabel ist wäre allerdings die Frage.
Brennt aber nicht so gut wie Stroh 🙂


Christian
28.8.2012 23:25
Kommentarlink

Ebenfalls kein Experte, aber hätte es nicht schon ausgereicht, das Stroh ordentlich nass zu machen?

Ich wär aber auch nie auf den Gedanken gekommen, dass das Stroh wirklich in Brand gerät… so eine Bombe erzeugt ja eher eine Druckwelle als ein Feuer. Aber bevor ich weiter unqualifiziertes Zeug daherrede warte ich lieber mal gespannt auf den Ersten, der in Sachen Sprengstoff weiß wovon er redet 🙂


Jens
28.8.2012 23:32
Kommentarlink

Da mögen sich jetzt Werkstoffkundler fundierter äußern.

Kunststoffe mit viel Flammschutzmittel kommen mir in den Sinn, oder sowas wie Glaswolle. Beides sicher nicht allzu gesund, wenn man es per Sprengung fein verteilt.


nadar
29.8.2012 6:50
Kommentarlink

Noch einer mit wenig Ahnung, aber trotzdem meine zwei Cent:
Zum Einen brennt zumindest komprimiertes Stroh nicht besonders gut¹, zum Anderen dürfte loses Stroh bei einer Explosion fortgeblasen werden ehe es brennt. Falls dabei doch ein paar Halme Feuer fangen, sind die sicher schon abgebrannt, bevor sie Schaden anrichten können. Stichwort Strohfeuer.

¹ http://de.wikipedia.org/wiki/Strohballenbau#Rechtliche_Einstufung


ein anderer Stefan
29.8.2012 7:28
Kommentarlink

Das ist häßlich. Naja, Stroh ist schnell und billig verfügbar, alle anderen Materialien sind vielleicht nicht so schnell zu kriegen gewesen. Und es ging ja um Schnelligkeit dabei. Optimal ist das sicher nicht. So oft werden aber auch keine Bomben mitten in der Stadt gesprengt. Die weitaus meisten können entschärft werden, einige werden abtransportiert, in irgendwelche Sandgruben oder so. (Ich habe lange Zeit in der Nähe von Hannover gewohnt, da ist das beinahe Tagesgeschäft)
Es hätte nicht passieren dürfen und wird ein Nachspiel haben. Bei der Hektik passieren auch Fehler. Und solange keine Menschen zu Schaden gekommen sind, ist es zwar großer Mist, aber es hätte schlimmer kommen können. Ich wundere mich jedes Mal, dass die Dinger nicht einfach so hochgehen, so viele, wie noch in den Städten liegen…


Flusskiesel
29.8.2012 7:58
Kommentarlink

“Warum liegt denn da Stroh rum?”
SCNR


Hadmut
29.8.2012 8:37
Kommentarlink

“Warum liegt denn da Stroh rum?”

😀


Name
29.8.2012 8:25
Kommentarlink

Gäbe sicherlich andere Möglichkeiten – wer von euch hätte sich denn freiwillig gemeldet, sie zu realisieren bei einer so unsicheren Lage, in der sich selbst der Kampfmittelräumer nicht mehrt traut, die Bombe anzufassen!?^^


Michael
29.8.2012 9:49
Kommentarlink

Auf dem Video, was im Internet kursiert, ist ja auch ein recht großer Feuerball zu sehen, der bei der Explosion in die Höhe schlägt. Ich denke, dass der schon ausreicht um umherfliegendes Stroh in Brand zu setzen. Allerdings bezweifele ich, dass einzelne Halme lange genug brennen, um einen Dachstuhl in Brand setzen zu können. Da müssten schon brennen Strohballen durch die Gegend geflogen sein.

Aber wer weiß, was in der Bombe noch alles drin war. Vielleicht enthielt sie extra brennbares Material, um genau das zu bezwecken. Und bevor das nicht genauer untersucht ist, lässt sich nur spekulieren. Wir sollten warten, bis es genauere Informationen gibt. allerdings würde ich es schon als eine ziemliche Panne bezeichnen, was da passiert ist.

Zufällig war ich gerade beim Geocachen unterwegs, als wir nicht weiter kamen, weil die Feuerwehr hier in Kassel großräumig abgesperrt hatte wegen einem Blindgänger, den man beim Umbau eines Schwimmbades gefunden hatte. Die Explosion von der Sprengung haben wir auch noch mitbekommen. Aber man hat weder viel Rauch noch einen Feuerball gesehen.


Hadmut
29.8.2012 10:29
Kommentarlink

Da gibt es ziemlich viele unterschiedliche Bombentypen, weshalb man das nicht einfach so über einen Kamm scheren kann. Sie haben damals beispielsweise die Bomben in verschiedenen Arbeitsgängen abgeworfen, erst reine Sprengbomben, die kaum Feuer oder Rauch, aber viel Druck entwickelt haben, um die Häuser abzudecken, und dann im zweiten Lauf Brandbomben, die eine Napalm-ähnliche Substanz verspritzten, die dann ohne die Dachziegel in die Häuser reinlaufen konnte. Dass es bei einer Bombe keinen Feuerball gab, lässt sich nicht auf alle übertragen.

Warten wir mal die Berichte ab.

Auf Twitter haben gleich irre viele Leute getrötet „München brennt”, die Feuerwehr dagegen wird irgendwo damit zitiert, es wäre nur ein Strohfeuer im wahrsten Sinne des Wortes gewesen. Angeblich hätte es manchen der Dächer gar nichts ausgemacht, wenn da mal brennendes Stroh drauf liegt.

Mal abwarten, was morgen in der Zeitung steht.


Wolle
29.8.2012 12:10
Kommentarlink

Hier ist ein gutes Video:
http://vimeo.com/48399328
Der Feuerball sieht im Dunklem natürlich spektakulär aus. Am Tage sieht man den so nicht, da ist er aber auch.

Stroh ist gut verfügbar, billig und falls es brennt relativ gut löschbar. Die Verbrennungsrückstände sind auch nicht giftig. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, das es zu größeren Bränden kam.
Fenster zu schließen, war keine gute Idee. Alle Fenster, die sich öffnen lassen, müssen aufgemacht werden. Schaufenster sollten. Mit Platten verdeckt werden. In einem dicht bebautem Gebiet geht aber so etwas nicht ohne Schäden aus. IMHO ist man mit einem “blauen Auge” davon gekommen.


Wolle
29.8.2012 12:11
Kommentarlink

Schaufenster sollten mit Platten verdeckt werden.

Sorry!


Norbert
29.8.2012 14:38
Kommentarlink

Auf WO ist jetzt ein ziemlich guter Bericht mit zum Teil heftigen Fotos.
Der schaden ist nicht banal.
http://www.welt.de/regionales/muenchen/article108855819/Bombe-gesprengt-Existenz-im-Feuer-verloren.html

Auszug ( zum Stroh):

Zweifel, ob das leicht entflammbare Stroh als Dämmstoff bei einer Sprengung nicht ungeeignet sei, räumt ein Feuerwehrsprecher aus. “Stroh ist leicht und hat eine sehr gute Dämmwirkung. Außerdem lässt es sich auf die Schnelle in großen Mengen beschaffen. Welches Material hätte man sonst nehmen sollen?” Weltweit werde bei Sprengungen mit Stroh gearbeitet.


unwichtig
29.8.2012 15:39
Kommentarlink

Ein weiterer (Laien-)Gedanke zum Stroh: wirkt wohl gut als nicht-Splittergranate. Beim Maschendraht z.B. könnten die Einzelteile wohl weiter fliegen / mehr zerstören. Bei Häusersprengungen wird man wohl deutlich weniger Sprengstoff (und den dann nur sehr dosiert und verteilt) einsetzen – so dass der Maschendraht dort nicht diese Gefahr darstellt.


ein anderer Stefan
29.8.2012 16:36
Kommentarlink

Sicher hätte man noch mehr Schutzmaßnahmen ergreifen können (Schaufenster) – aber das war vor allem ein Zeitproblem. Wenn die Bombe jeden Moment hochgehen kann, dann kann man nicht die Schaufenster nebendran noch sichern. Wer sollte denn das Himmelfahrtskommando übernehmen? Der Schutz von Menschen geht da immer vor.
Ein vernünftig gedecktes Dach wird von brennendem Stroh nicht entzündet. Wenn das Stroh ins Dach reinfliegt und den dort üblicherweise herumstehenden Trödel in Brand setzt, dann wird es kritisch. Ob Stroh eine solche Hitze entwickelt, dass davon Dachziegel platzen, kann ich jetzt nicht beurteilen, wage es aber zu bezweifeln.


member of the KRD
29.8.2012 16:56
Kommentarlink

Das ganze lief so ab:
Feuerwehr hat vorsorglich Strohballen angeschafft, erst danach kamen die Experten, die nahmen dann halt was da war, sonst hätte man kein Stroh verwendet. Und ob das Stroh auf dem Dach brennt ist eher harmlos wenn die Feuerwehr bereit steht und gleich löscht, es hat kein Haus Feuer gefangen.


Stefan H
29.8.2012 20:51
Kommentarlink

Mich würd mal interessieren, wie man so eine große Bombe “kontrolliert” sprengt… in irgendeine Richtung muss die Energie ja gelenkt werden.

@Wolle
Danke für den Link, das Video ist gut. (Aber irgendwie traurig, dass soviele Medien dieses Video ohne Quellenangabe verwenden…)


Hadmut
29.8.2012 21:00
Kommentarlink

> in irgendeine Richtung muss die Energie ja gelenkt werden

Immer nach oben. Haben sie auch hier so gebaut. Deshalb wird auch immer gleich ein Überflugverbot verhängt.

In den USA haben sie Fahrzeuge zum Abtransport scharfer Bomben, die im Prinzip nur wie ein großer Topf oder ein Mörser geformt und dick aus Blei sind, aber immer nach oben offen, damit alles nach oben wegfliegen kann.


Daniel
30.8.2012 0:50
Kommentarlink

Michael
30.8.2012 7:43
Kommentarlink

Laut den Sprengmeistern hat Stroh ausser den o.g. Gründen, dass es schnell und in ausreichender Menge verfügbar ist, vor allem einen Grund:
Die (Druck-)Energie der Bombe wird von jedem Halm aufgenommen und sehr effektiv zunichte gemacht. Ein trockener Strohhalm, selbst wenn er dabei Feuer fängt ist halt nicht wirklich ein gutes Geschoss. Deshalb wird das Stroh auch nicht nass gemacht, dann wäre es ineffektiver. Und das entstehende Feuer ist tatsächlich nur ein Strohfeuer, das bei bereitstehender Feuerwehr relativ schnell und sicher unter Kontrolle gebracht werden kann.


besserwisser
30.8.2012 18:37
Kommentarlink

Also i.d.R. wurden bei den Bombardierungen zuerst Luftminen abgeworfen, um wie schon gesagt die Dächer abzudecken und dann fielen Stabbrandbomben.
Die sind Clusterbomben, sechseckig aus Beton und haben einen Stahlkopf mit weißer Phosphor Füllung, das kommt ganz uncool wenn man mit sowas jongliert o.ä. …
Die Sandsäcke und Strohballen dienen vor allem dazu die Druckwelle den geringsten Widerstand nehmen zu lassen also direkt in den freien Himmel.
Und solange nicht konkret festgestellt worden ist was da nun wirklich Feuer verbreitet hat ist das alles Kaffeesatzlesen m(