Ansichten eines Informatikers

Eine „Ohrfeige ins Gesicht der Muslime”

Hadmut
5.3.2011 13:11

Anmerkungen zu einer unglaublich dämlichen Diskussion.

Jetzt haben wir einen neuen Innenminister (kennt den eigentlich irgendwer?), der läßt die Bemerkung fallen, daß der Islam nicht zu Deutschland gehöre, und schon geht’s wieder los.

Ich möchte hier nicht die Frage beantworten, ob der Islam zu Deutschland gehört.

Ich möchte hier mal ansatzweise aufzeigen, warum ich die Frage an sich für so bescheuert und verfehlt halte, daß man sie so gar nicht stellen kann und deshalb jede der Antworten Unfug ist.

Die Überschrift zu diesem Blog ist ein Zitat aus einem SPIEGEL-Artikel von heute, in dem ein gewisse Lamya Kaddor, Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes, mit der Formulierung „Ohrfeige ins Gesicht der Muslime” wiedergegeben wird.

Schon diese Sichtweise ist dämlich, genauso dämlich wie die Frage, denn sie entspricht wieder der – von manchen Muslimen betriebenen und daher zum Klischee gewordenen – überaus aggressiven Beleidigtenrhetorik. Ein Teil der Muslime, jedenfalls der Teil, der laut wird und in Erscheinung tritt, neigt dazu, jegliche Kritik, sogar schon jede Nichtzustimmung oder Andermeinung als tiefe, unentschuldbare Beleidigung und Ehrverletzung hinzustellen und sich zutiefst beleidigt zu sehen. Unter „Ohrfeige ins Gesicht” oder Flaggenverbrennung und wütende Proteste machen sie es nicht.

Und genau das ist eine Eigenschaft, die hier in unsere Gesellschaft nicht reinpaßt. Teil unserer Identität und unserer Kultur ist, daß alles und jedes diskutiert und in Frage gestellt werden kann, ob nun Christentum oder Verteidigungsminister. Und dazu gehört, daß man auch ungehörige oder verfehlte Fragen stellen kann, weil sich das meist erst aus der Antwort ergibt. Ergäbe es sich schon aus der Frage, ohne daß es einer Antwort bedürfte, wäre es keine Frage.

Allein schon diese Ohrfeigen-Rhetorik gehört und paßt überhaupt nicht in unsere Gesellschaft – und ich wehre mich gegen jeden, der – wie die Grünen – den Islam mit solchen Attitüden als Teil unserer Gesellschaft herbeireden will, weil das Unfug ist. Genauso, wie den Islam pauschal als Teil der Gesellschaft abzulehnen (was übrigens selbst eine Verhaltensweise ist, die nicht in unsere Gesellschaft paßt).

Folgern kann man daraus aber durchaus, daß Lamya Kaddor nicht in unsere Gesellschaft paßt, falls sie diesen Ausspruch so getan hat. Ich will nämlich nicht in einer Gesellschaft leben, die eine so dämliche Ohrfeigenrhetorik akzeptabel findet.

Nein, die Diskussion muß man von einer ganz andere Seite aufziehen. Das Problem ist nämlich, daß alle vom Islam reden – aber der Begriff nicht definiert ist. Solange man sich um eine Worthülse streitet, unter der jeder der Streiter willkürlich versteht, was er gerade will und braucht, der eine darunter die Schöpfung der Erde durch Allah, der nächste Kopftücher und ein dritter Ehrenmorde versteht, reden alle aneinander vorbei, weil man sich um das Reizwort Islam streitet. Aus einer solchen Diskussion wird nichts.

Ich sehe das ganz anders. Und in dieser Ansicht hat mich wesentlich ein arabischer Islam-Gelehrter und Imam bestätigt, mit dem ich mich in Dubai vor einer Moschee inmitten eines Haufens sehr strenggläubiger Muslime unterhalten habe. Die erklärten mir nämlich, und das verblüffend nüchtern, sachlich und neutral, daß vieles, was man so als Erscheinungsbild des Islam auffasst, eigentlich nicht Teil des Islams ist, sondern kulturelle Eigenheiten, Moden, Schnickschnack, Sektentum und sonstwas. Beispielsweise würden islamische Kleidungsvorschriften für Männer (!) und Frauen zwar gewisse Verhüllungen vorschreiben, das wäre bei der Frau aber nicht das Gesicht und nicht die Hände. Für eine Komplettverhüllung wie durch die Burka gäbe es im Islam keine Grundlage, und das wäre auch nicht islamisch. Das wären landes- oder sippenkulturelle Begebenheiten, die eben nur häufig zusammen mit dem Islam aufträten, weil eben die Kulturen muslimisch geprägt seien, und deshalb die Außenstehenden und meist sogar die Leute selbst irrtümlich nicht vom Islam differenzieren.

Und ich glaube, daß das das Hauptproblem ist, das wir erst einmal lösen müssen, bevor wir zu einer brauchbaren Diskussion kommen können.

Viele Eigenschaften, die aus der hiesigen Sicht als islamisch daherkommen, und die vielleicht sogar von vielen Muslimen selbst (irrtümlich, meist erziehungsbedingt) für islamisch gehalten werden, sind es nicht. Ich glaube, daß wir alle (und damit meine ich beide Seiten!) erst einmal lernen und verstehen müssen, was alles tatsächlich zum Islam gehört, und was nur so aussieht als ob, aber nur mitfährt.

Als großes Problem mit Muslimen wird häufig angesehen, daß sie auf Schulhöfen aggressive und bewaffnete Banden bilden, sich irgendwo zwischen Macho und Kriminellem bewegen und andere extrem einschüchtern. Viele türkische und arabische Jugendliche handeln so.

Es gibt weitere Eigenschaften, die aus unserer Sicht barbarisch sind. Etwa die Ehrenmorde, wenn Familien ihre Töchter oder Schwestern umbringen, weil sie sich „zu deutsch” benehmen. Überhaupt dieses ganze Theater um Familienehre, Beleidigung und Rache. Oder die weibliche Beschneidung.

Nichts davon paßt in unsere Gesellschaft. Nichts davon ist in unserer Gesellschaft akzeptabel. Ich will nicht Teil einer Gesellschaft sein, die solches akzeptiert oder als Teil hinnimmt. So etwas muß verboten und geächtet sein und bleiben.

Nur: Nichts davon ist nach meinem Wissensstand islamisch.

Es ist aber fest verbunden mit Kulturkreisen, die ihrerseits durchgehend islamisch und schlecht gebildet sind. Es korreliert mit dem Islam. Deshalb sieht es aus wie Islam. Und deshalb glauben sogar viele Muslime, es wäre ihr Glaube.

Ich habe vor einiger Zeit mal eine Fernsehsendung gesehen, in der man türkische und arabische Jugendliche zu ihrem Machotum befragt hat, warum sie mit Messer in der Tasche herumlaufen und ihrer Schwester Vorschriften machen, wie sich sich zu verhalten und zu kleiden hat. Die sagten in vollster Überzeugung, das sei ihr Glaube.

Ich glaube dagegen, daß es nur Ergebnis schlechter Erziehung ist, die den Islam als Vorwand mißbraucht hat. Ich glaube sogar, daß vieles von dem, was heute als Teil des Islams angesehen wird, nicht Teil des Islams ist, sondern nur huckepack mitgefahren ist, damit die Leute es akzeptieren und glauben.

Muslime essen kein Schweinefleisch. Das Schwein gilt als unrein. Vor arabischen Moscheen findet man Waschplätze und Wasserhähne, an denen man sich reinigt. Islamisches Recht, Scharia usw. regeln das Zusammenleben. All das hat historisch sinnvolle Gründe, die das Zusammenleben durch geregeltes Verhalten, Hygiene, Vermeidung von Krankheiten usw. ermöglichen und – jedenfalls zu ihrer Zeit – überaus sinnvoll und nützlich waren. Auch Christentum und Judentum kennen viele solcher Vorschriften, etwa die Zubereitung koscheren Essens. Alles das sind zu ihrer Zeit sinnvolle und nützliche Vorgaben, aber es sind weltliche Vorgaben, die der Religion nur huckepack mitgegeben wurden, damit sie befolgt werden. Und die teilweise veraltet sind, etwa durch technologischen Fortschritt. Heute gibt es Kühlschränke und mikrobiologische Untersuchungen, wir wissen heute, wann Schweinefleisch gesundheitsgefährlich ist und wann nicht.

So besteht das, was wir heute so gemeinhin als Islam bezeichnen, meines Erachtens aus einem religiös-historischem Kern und auf den aufgetragen eine Vielzahl von gesellschaftlichen, politischen, kulturellen, interessenbasierten Schichten, die da nachträglich hinzugekommen und angetrocknet oder eingewachsen sind. Dagegen ist vor allem der Islam sehr anfällig, denn erstens lebt er sehr von der Auslegung und Interpretation, und zweitens verlangt der Islam weitgehende Kritiklosigkeit gegenüber dem Erlernten. Gerade in dieser Eigenkritiklosigkeit sehe ich ein Hauptproblem des Islams und einen Auslöser für viele „Inkompatibilitäten” mit unserer kritikorientierten Gesellschaft. An dieser Stelle paßt der Islam wirklich nicht in unsere Gesellschaft. Was nicht kritisch hinterfragt und in Frage gestellt werden kann, wird hier als Fremdkörper empfunden, und das ist sehr gut so. Und das muß auch so bleiben.

Wir müßten also viel genauer danach differenzieren, worüber wir eigentlich reden. Einiges aus dem Kern des Islam würde durchaus zu Deutschland passen, daß nämlich jeder nach seiner Facon selig wird und wir eben durchaus keine christliche Einheitsreligion sind, würde mir ganz gut gefallen, denn dieses Christenmonopol stört mich gewaltig. Und die islamischen Reinheitsvorschriften würden so manchem Christen (und seiner Duftnote) durchaus auch zum Vorteil gereichen. Und Schweinefleisch habe ich mir schon länger überwiegend (bis auf sehr mageren Schinken) abgewöhnt, weil es mir zu fett ist. Das Schwein ist zwar in der Massentierhaltung und im Zeitalter des Dioxin-Futters auch nicht (mehr) unreiner als andere – aber gesund ist es auch nicht.

Wir müssen also auf Seiten der Islamkritiker sehr deutlich von dieser Pauschalierung, daß der Islam nicht – oder doch – zu Deutschland gehöre/passe, runterkommen, und das differenzierter sehen. Genauso müssen aber die, die jetzt wieder (wie die Grünen auf Wählerstimmensuche) tröten, daß der Islam zu Deutschland gehöre, genauso von dieser Pauschalisierung runterkommen.

Und ebenso muß man von den Muslimen verlangen können, daß sie selbst endlich mal von ihrer pauschalisierenden Burg-Mentalität und Beleidigtenrhetorik runterkommen. Und dann auch mal einsehen, daß vieles von dem, was hier kritisiert und abgelehnt wird, nicht islamisch ist, sondern auf Familientraditionen usw. beruht und hier wirklich inakzeptabel ist.

Ich für meinen Teil sehe beispielsweise die Verschleierung der Frau kritisch, aber in drei völlig verschiedenen Hinsichten:

  • Druck, Zwang, Erwartungen gegenüber Muslimas durch die Familie, Ehemänner, andere Frauen, Religiöse halte ich für völlig inakzeptabel und mit unserer Gesellschaft für völlig unvereinbar. Religion ist, das zu tun und zu lassen, woran man selbst glaubt, nicht woran andere glauben.
  • Komplettverschleierung (Burka,…) aus eigenem Willen der Frau halte ich aus oben erläuterten Gründen nicht für etwas religiöses, sondern für anderweitig erworbenes schlechtes Benehmen. Man läuft hier bei uns nicht mit einem Sack über dem Kopf in der Stadt herum. Insbesondere betrachte ich es als explizite grobe Frechheit und Ausdruck von Flegelhaftigkeit mir gegenüber, wenn mir eine Frau mit Komplettverhüllung in Deutschland gegenübertritt. Denn es ist Teil unserer Kultur und Identität, daß man sieht, mit wem man es zu tun hat, und daß die Mimik als Teil der Kommunikation eingesetzt wird (Lächeln, vgl. auch Soldatengruß als Öffnen des Visiers).
  • Beim Tragen des Kopftuches, das das Gesicht frei läßt, wie man es vor allem bei Türkinnen sieht, habe ich verstanden und akzeptiere es, daß es islamischen Kleidungsvorschriften entspricht. Ich akzeptiere es insbesondere in deren Lebensumfeld, wenn ich also beispielsweise in eine türkische Bäckerei oder dergleichen gehe.

    Nichtsdestotrotz empfinde ich es aber in vielen Fällen auch als signifikante Unhöflichkeit mir gegenüber. Denn unseren Sitten entspricht es nicht, und – das muß auch mal gesagt werden – viel Türkinnen sich in ihren Sack-Kitteln, den oft grauenhaften Stoffmustern vieler Kopftücher, dem oft riesigen Haarunterbau und dann noch Schminke nach dem Motto viel hilft viel, als ob man im Gesicht nachholen müßte, was der Islam am Rest des Körpers verboten hat, nach meinem Empfinden so hässlich machen, daß ich es schon wieder als penetrant-aufdringlich empfinde. Ich setze mir auch nicht so einen Riesen-Helm aus Pappmachee auf. Ich empfinde es als unangenehm, wenn überall diese Riesen-Haarbeutel in scheußlichen Mustern rumlaufen.

    Der eigentliche Punkt ist aber ein anderer, nämlich gerade der – mehr oder weniger – Religiöse.

    Wie mir der oben besagte Imam erklärt hat, sind die Verhüllungsvorschriften des Islam nicht willkürlich, sondern zweckorientiert, sie haben einen ganz bestimmten Grund: Nämlich daß das Blut des Mannes im Anblick schöner Frauen nicht in Wallung gerate und er nicht abgelenkt oder verführt wird.

    Allein daraus könnte man auch schon wieder schließen, daß auch die Verhüllungsvorschriften nicht religiös sind, sondern allein sozialen Zwecken dienen und im Islam nur huckepack mitfährt, also eine politische und keine religiöse Komponente ist.

    Wenn aber eine Frau mir in der Öffentlichkeit – im Supermarkt oder wo auch immer – mit einem Kopftuch gegenübertritt, das sie aus islamisch-religiösen Gründen trägt, also gerade aus dem spezifischen Grund, daß der Mann nicht über die Frau herfällt, weil sie zu aufreizend gekleidet wäre, liegt darin also die latente Unterstellung gegenüber deutschen Männern – und damit auch gegenüber mir – daß ich mich gegenüber einer nicht vollständig verhüllten Frau nicht benehmen könnte und würde.

    Und das betrachte ich – gerade wegen dessen religiösen Hintergrundes – als förmliche Beleidigung mir gegenüber. Oder, wenn man so will, „Ohrfeige ins Gesicht deutscher Männer”. Denn, der Vorwurf erscheint mir gegenüber vielen Muslimen (auch aus den Erfahrungen von 8 Jahren Studentenwohnheim mit sehr vielen Muslimen) gerechtfertigt, viele Muslime sind sehr geübt darin, sich bei jeder noch so entfernten Gelegenheit beleidigt zu fühlen, finden jeden noch so geringen Anlaß dafür, aber finden es ihrerseits völlig normal, Deutsche latent zu beleidigen.

    Ich habe es durchaus auch mehrfach erlebt, daß manche Muslime es Deutschen gegenüber sehr deutlich raushängen, daß sie sie als wertlose oder minderwertige Ungläubige ansehen. Insofern wecken Kopftuch, der komische Kittel und andere weibliche „Schutzbekleidung” bei mir immer so den latenten Verdacht, daß die das anziehen wie Gummistiefel. Und wer sich – und das ist es ja letztlich – mehr oder weniger komplett in Schutzkleidung einwickeln muß, um anderen Menschen gegenüberzutreten, der hat meines Erachtens ein ernstes Problem. Stellt Euch mal vor, jemand würde sich hier aus dem Baumarkt so einen weißen Ganzkörperoverall für Bauarbeiten anziehen, wenn er in die Stadt geht, weil er meint, daß das Zusammentreffen mit anderen Menschen per se schlecht und gefährlich wäre. Was würde man von dem denn denken?

    Wenn man in eine Moschee geht, zieht man die Schuhe aus. Obwohl ich als Nicht-Muslim eigentlich die meisten Moscheen nicht betreten darf, wurde ich bei besagtem Gespräch mit dem Imam sogar ausdrücklich eingeladen, mir deren Moschee auch von innen anzuschauen und sogar aufgefordert, ein Foto zu machen. Das war sehr freundlich. Aber man sehr darauf bedacht (und ich habe es natürlich sofort befolgt), daß ich meine Schuhe draußen vor der Moschee lasse und sie ohne Schuhe betrete.

    Wäre es nicht eine abgrundtiefe und unverzeihliche Beleidigung gegenüber diesen Menschen gewesen, wenn ich zum Betreten ihrer Moschee Gummistiefel, einen Schutzkittel und eine Schutzbrille aufgezogen hätte, so als drohte mir darin irgendetwas übles, womit ich nicht kontaminiert werden will? Natürlich.

    Als genauso beleidigend empfinde ich es aber, wenn eine Muslima meint, solche Schutzkleidung anlegen zu müssen, bevor sie sich in die schädliche, schmutzige Atmosphäre unserer Gesellschaft hier begiebt. Eine Muslima, die ein Kopftuch (und vielleicht noch einen Kittel) anzieht, ist für mich ungefähr so ein Affront wie wenn ich Gummistiefel anziehen würde, um mich unter Muslime zu begeben.

    Oder, wenn man das Kopftuch so auslegt, daß es ja nicht gegen Nicht-Muslime, sondern gegen Männer und deren Übergriffe allgemein schützen soll, als würde mich mit Atemschutz rumlaufen, um nicht in die Gefahr eines Menstruationsgeruchs zu kommen. So jedenfalls empfinde ich es, wenn ein Frau sich ein Kopftuch und einen Kittel anzieht, um einem Mann gegenübertreten zu können. Als latente Beleidigung.

    Ich sehe darin eine verwerfliche Doppelmoral.

    Schon mal von der Seite betrachtet?

Man muß das also schon im Einzelnen auseinandernehmen und ergründen um zu sehen, was paßt und was nicht.

Ich bin aber der Meinung, daß wir als Gesellschaft schon sehr klar und deutlich sagen müssen, welche der einzelnen Verhaltensweisen wir hier haben wollen und welche nicht (weil wir sonst keine Gesellschaft wären).

Dabei würde sicherlich eine deutliche Liste entstehen. Bei der sich vermutlich zeigen wird, daß viele dieser Verhaltensweisen (von Muslimen und von Deutschen) nur irrtümlich für islamisch-religiös gehalten werden. Wir müssen aber endlich davon weg, schlechtes Benehmen als Religion entweder zu verdammen oder zu rechtfertigen. Und dazu gehört beispielsweise, daß dieser ganze Komplex Familienehre und Verhaltensvorschriften für Töchter nur ein Euphemismus dafür ist, daß die Eltern nicht in der Lage waren, die Kinder so zu erziehen, daß sie in einer dichten Gesellschaft zusammenleben können. Und so weiter. Mit Islam hat es eigentlich nichts zu tun. Aber es korreliert mit Muslimen. Und das haben viele nicht verstanden – auf beiden Seiten.

Leider trägt hier aber keiner zu diesem notwendigen Disput bei. Weder ein Innenminister, der sich hinstellt und sagt, der Islam passe nicht zu Deutschland. Noch die grüne Schreitante Künast, die meint, daß der Islam zu Deutschland gehöre, weil in Berlin viele Muslime rumliefen. Noch eine Islam-Vertreterin, die sich mal wieder im Namen aller Muslime geohrfeigt fühlt. So wird da nie was draus. Weil bemerkenswerterweise viele schon über ihre eigene Kultur zu wenig wissen, um vernünftig streiten zu können.

13 Kommentare (RSS-Feed)

ThiemoB
5.3.2011 14:48
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Dankeschön, ein sehr sehr lesenswerter Artikel!
Gerade der Aspekt mit der Erziehung ist ein sehr wichtiger, der leider immer unterschätzt wird.
Solange die von ihnen geschilderte Trennung von Islam und Tradition nicht erfolgt, werden noch in 10 Jahren die Integrationsdebatten zu keinem Ergebnis führen.
Es wird Zeit dass endlich jemand an oberster Stelle eine deutliche Stellung zu diesem Thema bezieht, bevor die Leute von dem wachsenden Unmut in der Bevölkerung davon profitieren, die es am wenigsten sollten.
Und wenn die Muslime immer wieder von sich selbst behaupten, das Macho-Gehabe, das permanente Provozieren und sich provozieren lassen, die Höherstellung der Männer, Missachtung der Freiheit von Frauen etc. gehöre zu ihrem Glauben, können sie meiner Meinung nach in keiner Art und Weise verlangen, dass sie als Teil unserer Gesellschaft angesehen werden. Das ist schlechtes Benehmen, Dummheit und Arroganz, wo wir wieder bei der Erziehung wären.
Und die Burka als Beleidigung aller anderen anzusehen ist ein vielleicht etwas zugespitzter, aber doch sehr richtiger Punkt, in die Richtung habe ich noch gar nicht gedacht.


Karlsruher
5.3.2011 22:31
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Klare Kante, Respekt. Einerseits zeigst du auf, dass es mehr gegenseitiges Verständnis und vor allem erst einmal Verständigung braucht. Schön. Andererseits übertreibst du stellenweise maßlos, so dass deine Argumentation nur noch bizarr erscheint, wenn du bei anderen Beleidigtenrhetorik anprangerst aber selbst bei normalen Kopftüchern wortreich von “Affront”, “Beleidigung” etc. sprichst. Hier solltest du deine Argumente überprüfen, denn du siehst den Menschen nunmal den Grund, warum sie ein Kopftuch tragen, nicht an, insofern müsstest du in jedem Einzelfall erst danach fragen, bevor du dich davon beleidigt fühlst. Außerdem frage ich mich, warum du beim Kopftuch so zielstrebig auf den Islam kommst, kennst du das nicht von deiner Uroma? Im Christentum kannst du das bis zum Apostel Paulus zurückverfolgen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kopftuch#Christentum
Auch im Judentum gibt es das Kopftuch. Für den Fall, dass du dich auch von Kopftüchern ohne religiösen Hintergund beleidigt fühlst: gilt das auch, wenn dir eine Putzfrau in Arbeitskleidung begegnet? Und zum Argument der Mimik: fühlst du dich von Leuten mit Basecap und Sonnenbrille (manche haben sogar ne fiese Spiegelbrille) auch beleidigt, weil du ihre Mimik nur sehr eingeschränkt erkennst?
Ich plädiere für mehr Gelassenheit. 🙂


Hadmut
5.3.2011 22:56
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@Karlsruher: Ich will damit nicht ausdrücken, daß ich mich pausenlos beleidigt fühle, weil ich persönlich da sowieso eher robust veranlagt bin. Es geht mir darum, die Asymmetrie aufzuzeigen, daß man einerseits sehr leicht auf beleidigt macht, aber andererseits nicht daran denkt, daß das eigene Auftreten auch als Beleidigung ausgelegt werden könnte.

Wenn das auf Dich „bizarr” wirkt: Gut. So war es gemeint. Daß sich jemand einen Schutzanzug gegen Männer anzieht, finde ich auch bizarr.

Ich komme auch nicht beim Kopftuch auf den Islam, sondern bei der Diskussion, ob der Islam zu Deutschland paßt, auf das Kopftuch. Du verwechselst da die Bewegungsrichtung.

Im übrigen bin ich selbst jemand der meist Kappe oder Hut trägt, und auf Reisen trage ich sogar selbst manchmal ein Kopftuch (ein sog. Buff Tuch), weil ich nicht mehr genug Haare auf dem Kopf habe, um mich gegen Sonne zu schützen.

Ein Kopftuch per se ist nicht beleidigend. So wie Gummistiefel nicht per se beleidigend sind. Wenn man es aber trägt, weil man unterstellt, daß Männer sich sonst nicht benehmen könnten, dann finde ich das beleidigend.

Die Putzfrau in Arbeitskleidung zieht das Ding übrigens zum Putzen, als Schutz gegen Schmutz an. Man zieht es als Schutz gegen Sonne oder Kälte an. Und im Zusammenhang mit dem Islam zieht man es – wie mir erklärt wurde – zum Schutz vor Männern an. Und damit betrifft mich das letztere, die ersten hingegen nicht.

Wenn Dir der Zweck egal ist – bitte. Sei Dir erlaubt.

Dann mußt Du es mir aber erlauben, mir Gedanken über den Zweck des Kopftuches zu machen. Und wenn jemand in mein/unser Land kommt, um hier zu leben, aber gleichzeitig meint, Schutzkleidung gegen die Bevölkerung hier zu brauchen, paßt das einfach nicht zusammen.


Karlsruher
6.3.2011 0:35
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Die Christen und Juden sind aber schon lange hier und meinen oder meinten auch in großer Zahl (beim Islam sind’s ja auch bei weitem nicht alle), zum Schutz vor Männern ein Kopftuch zu brauchen. Und nun?
Wie stehst du zu Nonnen? Sind die auch ein “Affront” für dich? Und was sollte daraus folgen? Ich meine nur, dass uns diese Diskussion nicht weiterbringt, denn ich gehe nicht davon aus, dass du ausgehend vom Beleidigtsein ein Kopftuchverbot fordern willst. Oder doch?


Hadmut
6.3.2011 10:46
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@Karlsruher: Ich stimme mit Dir darin überein, daß uns diese Diskussion nicht weiterbringt. Denn ich kann weder erkennen, worin Du mich kritisierst, noch was Dein eigener Standpunkt ist.

Ich kann Dein letztes Posting nur so verstehen, daß ich das muslimische Kopftuch nicht kritisieren darf, weil auch irgendwer anderes Kopftücher trägt. Auf dem Niveau und in dieser Denkweise kann natürlich überhaupt keine Diskussion mehr stattfinden. Das ist wieder so eines von diesen Universal-Totschlag-Argumenten die darauf hinauslaufen, daß man den Islam gar nicht mehr kritisieren darf, egal mit welchem Argument. Und solche Debatten mag ich gar nicht.


Stefan W.
6.3.2011 3:36
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Ob der Islam zu Deutschland gehört, würde ich zuerst funktional beantworten wollen. Ich kann mir Deutschland ohne Islam vorstellen, und auch übrigens ohne Döner und Falaffel – mir würde nichts fehlen.

Mir würde auch ohne Christentum nichts fehlen, daher finde ich, auch das Christentum gehört nicht zu Deutschland.

Das wurde hier mal irrtümlich eingeschleppt und hat die Waldreligionen verdrängt, die auch nicht besser waren, und nur ihren Osterhasi und den Weihnachtsbaum ins Christentum geschmuggelt haben wie ein paar Krieger ins trojanische Pferd.

Und die schönen, alten Kirchen allenthalben? Ja 2 oder 3 pro Epoche mag man als Museum behalten, aber eine schrumpfende Gesellschaft kann nicht alles erhalten, nur weil es 200 Jahre alt ist. Und schön sind diese Einschüchterungs- und Protzbauten ja nun wirklich nicht. Im Gegenteil. Kitsch und Grusel, Masse statt Klasse. Eigentlich sind Kirchen ziemlich scheußlich, und nur durch die frühe Gewöhnung daran rennt man nicht schreiend weg. Man ist blos abgestumpft gegen deren ausladende Häßlichkeit.

So funktional war es vom neuen Herrn Doktor aber gar nicht gemeint. Es war schon wertend gedacht, normativ, welche Kirche hier sein soll, und welche nicht, und natürlich wird übersehen, dass etwa 1/3 der Bevölkerung gar keine Religion will – in der Regierung wird dieser Bevölkerungsteil nicht repräsentiert, alle schwören immer brav ‘So wahr mir Gott helfe’ – irgendwie passen die auf, dass da kein Atheist hochkommt. Da ist die Mafiastruktur und die Vettern- und Proporzwirtschaft verwurzelt.

Aber man kann ja nicht immer die Muslime in Schutz nehmen, nur um die Christen zu ärgern.

Ja, das Kopftuch ist ein Affront der sagt “ich will in ein 50er-Jahre Bewußtsein”. Und genauso wirken übrigens auch Sonnenbrillengesichter die sich Dir zudrehen: Man sieht den Mund lachen, aber wenn man die Augen nicht sieht, und eine Spur paranoid ist, dann glaubt man nicht, dass die Augen mitlachen. Und deswegen: Außerhalb von Auto und Strand bitte die Sonnenbrille ab.

Danke.


Hadmut
6.3.2011 10:48
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@Stefan W: Ich glaube, dem geht es da nicht mal um Christentum, sondern ganz profan um Wählerstimmen.


uwiuwiuwi
6.3.2011 6:52
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erstklassig im ansatz!
unabhängig von den gewählten beispielen deiner argumentation sprichst du den entscheidenden schwachpunkt der debatte an.
das langfristig friedliche zusammenleben in unserer gesellschaft (und auch anderen…) erfordert die sachliche betrachtung und differenzierung der eigenheiten der beteiligten “gesellschafter” bzw “gesellschaftsgruppen”. die wirkung von sozialen, kultrurtraditionellen, religiösen und politischen einflüßen bzw prägungen bedarf der unvoreingenommenen betrachtung und annerkennung. immerhin formen sie uns alle in unserem leben.
eine polarisierung und/oder vereinfachung der beobachtbaren [Korrelationen] stört/verzögert/verhindert eine offenlegung der strukturellen zusammenhänge sowie überlegungen zur veränderung. die welt auf der wir alle leben ist nicht schwarz/weiß, sie ist bunt. war sie schon immer und wird sie immer sein.
ich zb verstehe mich als teilnehmer einer säkularen, vernunftbegabten und mitmenschlichen gesellschaft. jeder “gesellschafter” verdient grundsätzlich die anerkennung seiner eigenständigkeit als mensch und damit verbundene rechte, unabhängig von seinem geschlecht, seiner herkunft und seiner weltanschauung. wer interessiert nach hintergründen fragt verdient eine ehrliche antwort. wer nicht antworten kann oder möchte muß mit wiedervorlage rechnen und kann sich entsprechend darauf einstellen. wie weit diese annahmen in deutschland bzw europa verbreitet sind kann und will ich hier nicht beurteilen.
durch mein tägliches verhalten versuche ich diese vorstellung zu leben; mein freundes- und bekanntenkreis, meine lebenserfahrungen oder auch dein blog machen auf mich den eindruck das ich mit diesen vorstellungen nicht allein bin 🙂
auch ich finde dein beispiel zur [beleidigungsrethorik] nicht ganz geglückt, ich hab da wohl auch mehr [Gelassenheit]; fakt ist, das ich dieses kommunikationsverhalten in einer von mir oben angedeuteten gesellschaft als [bizarr] empfinde. wer nicht bereit ist sich mit rückfragen zum verhalten gegenüber seinen mitmenschen auseinanderzusetzen ist mir nach einer weile nicht mehr willkommen! seine herkunft ist mir dabei schnurz.
auch bei mir wirft das thema verhüllung ein “kompatibilitätsproblem” auf:
diese kleiderordnung wurde ja nicht für muslime aufgestellt, die in einem nicht-muslimischen land leben. sie entstand in der heimat des islam und ist, denke ich, geschlechtsunabhängig und pragmatisch dem klima als auch den zivilisatorischen gepflogenheiten und erfahrungen der tausende jahre alten arabischen kultur angepasst und letztendlich im islam integriert und weiterentwickelt worden. (in diesem zusammenhang hast du mit deinem grundsätzlichen einwurf zum thema rituelle reinigung bzw schweinefleisch bestechend recht :)).
zwar bietet diese kleiderordnung guten schutz bei starker sonneneinstrahlung und der gefahr des selektiven menschenraubs, jedoch lautet die (interpretierte) ansage im koran das die frauen sich in der öffentlichkeit züchtig zu kleiden haben um die männer im allgemeinen nicht (sexuell) zu reizen. da wurde wohl schon vor 1500 jahren ein gravierender mangel an selbstkontrolle festgestellt; die damals sich durchsetzende patriarchalische gesinnung konnte natürlich nur kreative lösungen im rahmen der ihr eigenen ethik und moral finden…
das war bis jetzt bei allen arten von gesinnungen so.
das ist ok, solange niemand nachfragt. hier in europa hat sich nachfragen allerdings spätestens seit der zeit der aufklärung als kulturgut qualifiziert und wird seitdem fleißig geübt. letztens erst beim verteidigungsminister…
der schwerste teil der nachfrage ist sicherlich die selbstreflexion, da üben wir noch nicht ganz so lange dran, auch ich nicht. im laufe der zeit ist es der europäischen gesellschaft dank der diversen frauenbewegungen aber gelungen ihre männer durch einsicht und/oder strafrecht überhaupt in die verantwortung zu nehmen. der prozess hält weiter an und ist noch lange nicht abgeschlossen, die rechtsprechung und aufklärung zum thema “sexistische/sexuelle gewalt” bescheinigt auch unserer grundhaltung noch genügend defizite und damit eher gemeinsamkeiten als unterschiede mit anderen kulturen. seit der aufklärung unterscheiden wir uns eigentlich nur durch die zunehmende bereitschaft zum diskurs in allen gebieten, davor lag die deutungshoheit bei der kirche…die aktuellen bewegungen der gesellschaften im “arabischen raum” zeigen mir jedenfalls das nachfragen für muslime mit ihrem glauben grundsätzlich vereinbar ist.
wer sich mit diesen gepflogenheiten der europäischen kultur nicht anfreuden kann und/oder möchte ist hier nicht willkommen! wer versucht, gegen seine mitmenschen gerichtete, physische oder psychische gewalt aus seiner eigenen weltanschaulichen prägung zu rechtfertigen um daran festzuhalten hat hier keine zukunft! egal welcher herkunft er ist!
beste grüße und guten umbruch!


Hadmut
6.3.2011 10:50
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@uwiuwiuwi: Wie gesagt, es war beabsichtigt, daß es bizarr erscheint. Vergleichende Parallelen zu führen, die durch die Verlagerung das Bizarre hervortreten lassen, ist eine Argumentations- und Rhetoriktechnik.



Stefan W.
6.3.2011 11:09
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@Hadmut: Ja, der ist kein Theologe oder Priester, und als solcher nimmt er das Christentum nur ernst als Markierung dafür, wer dazugehört, und wer nicht. Viel mehr als ‘Weihnachten muss ein Christbaum sein” ist da bestimmt nicht dahinter.

Unsere Gesellschaft kennt übrigens auch ‘Ehrenmorde’, nur heißt es hier ‘Familiendrama’, wenn der Mann Frau und Kinder und schließlich sich selbst hinrichtet. Ich will nicht sagen, dass es identisch wäre, aber es gibt doch einige Parallelen.

Eine Gesellschaft mit mit zu vielen Ehrenmorden/Familiendramen stirbt auch schnell aus – so viele kann sich keiner leisten. Hier wie da ist der Mann auch nicht in einer beneidenswerten Situation. Er hat ja auch keine Freiheit, sondern ist ein Getriebener, der eine fremde Mission erfüllen muss, und dabei selbst auf der Strecke bleibt.

Aber auch wenn man nur als Schließer seiner Schwester auftreten muss. Das ist ja keine für junge Männer erfreuliche Freizeitbeschäftigung.


uwiuwiuwi
6.3.2011 22:49
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…hab ich grad noch ein allgemeineres plädoyer für differenziertes nachdenken über den islam entdeckt…

http://schampi.com/space/index.php?option=com_content&view=article&id=8530:pulverfass-nordafrika-wohin-treibt-die-arabische-welt&catid=41:politik&Itemid=91


quarc
10.3.2011 21:06
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Der Beobachtung kann ich in weiten Teilen zustimmen. Das dumme ist halt,
das diese zwanghafte Reduktion aller Verhaltensmuster auf den Islam bei
fast allen beteiligten anzutreffen ist, und das fällt halt auf, weil es
mittlerweile bei anderen religiösen Gruppen nicht mehr passiert.
Wer würde wohl heute noch die Schwierigkeiten italienisch- oder
spanischstämmiger Einwanderer auf deren katholische Religion zurückführen?
Da hat man begriffen, dass andere soziale Faktoren zur Erklärung herangezogen
werden müssen.

Was die Bekleidungsfrage angeht, finde ich Deine Dekonstruktion auch
sehr hübsch (so ähnlich habe ich es übrigens vor Jahren schon von
Frauenrechtlerinnen gehört — ich weiß nicht mehr ob aus Ägypten
oder Algerien). Natürlich kann man im Einzelfall die Gründe für eine
bestimmte Bekleidungswahl nicht kennen, aber die Vorstellung, die Kontakte
zwischen Frauen der eigenen Großfamilie und _fremden_ Männern einzuschränken,
ist weit verbreitet und praktisch völlig unabhängig von der Religion.
Wirf’ mal einen Blick in “Asterix auf Korsika”. Die Begründung, man
wolle die Frau ja bloß schützen, ist da eine, besonders von Männern,
gern ins Feld geführte Schutzbehauptung; etwa so glaubwürdig, wie die
Idee, das Hochschulstudium würde der weiblichen Gesundheit schaden und
Frauen sollten davor bewahrt werden.

Bei den Frauen selbst kann es auch einfach das Bedürfnis sein, nicht
gleich auf die Sexualität reduziert zu werden — also die islamische
Variante der lila Latzhosen, Kurzhaarfrisuren und Sackkleider, die man
noch aus der Blütezeit des Feminismus erinnert.

So seltsam die Vorstellung, Frauen müssten sich durch geeignete Kleidung
vor Männerübergriffen schützen, auch ist — sie ist auch in der deutschen
“Mehrheitsgesellschaft” noch vorhanden. Das kann man jedesmal beobachten,
wenn nach sexuellen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigung diskutiert wird,
ob denn die Frau durch ihre aufreizende Bekleidung den Übergriff provoziert
habe. Insofern ist die Verhüllung nur die Übertreibung dieser Vorstellung,
aber nichts wesentlich neues.

Der Islam gehört zu Deutschland wie Micky Maus auch; beide sind aus dem
kulturellen Kontext jetzt nicht mehr sinnvoll zu entfernen.
Das ist aber derart banal und letzlich auch uninteressant, dass man bei
einigen Politikern schon vermuten muss, dass sie diese Diskussion
taktisch herbeireden, weil sie eigentlich Türken und Araber meinen,
sich das aber nicht zu sagen trauen. Sie nutzen dabei den bei vielen
Deutschen vorhandenen Kategorienfehler aus, der in der Verwechslung von
Nation und Religion besteht.

Nebenbei, Lamya Kaddor gehört auch zu Deutschland: sie ist Deutsche.
Ob sie wirklich nur dumm herumschwätzt oder argumentiert kann man hier zu
ergründen versuchen.

Dieser Hang zum beleidigt sein gehört übrigens auch zu Deutschland,
darüber hat bereits Tucholsky geklagt. Mach Dir also nichts daraus,
wenn sich irgendjemand durch Deine Beiträge beleidigt fühlt, dass ist
völlig normal.