Ansichten eines Informatikers

Freier Zugang zu Informationen kommunistisch?

Hadmut
13.11.2009 21:37

Seltsame Standpunkte eines seltsamen Content-Händlers.

Ich habe da gerade auf Golem.de einen Artikel über seltsame Äußerungen des Axel-Springer-Vostandschefs Mathias Döpfner gelesen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto unredlicher erscheinen mir die Sprüche. Freier Zugang zu Informationen sei kommunistisch, behauptet er.

Ist das Gegenteil von kommunistisch, daß an allem und jedem, was passiert, irgendwer verdient?

“Es ist einfach falsch zu denken, im Web müsse alles kostenlos sein. Die Theorie, dass es einen freien Zugang zu Informationen geben soll, gehört zum Absurdesten, was ich jemals gehört habe. […]

Dies ist ein spätes ideologisches Ergebnis von Webkommunisten: Nur wenn alles kostenlos ist, ist es demokratisch.”

Dies sei genauso absurd wie zu behaupten, es sei demokratisch, wenn das Bier im Supermarkt kostenlos sei. Niemand werde in qualitativ hochwertigen Content investieren, wenn es nur den freien Zugang zu Informationen im Internet gebe.[…]

Es seien die Themenbereiche Sport, Spiele, regionales Umfeld, Macht und Geld sowie Sex und Crime, die die Menschen interessierten, und für die sie auch bereit seien, Geld zu bezahlen.

Mein Zwerchfell bekommt das Sausen, wenn der Verlag der BILD-Zeitung von qualitativ hochwertigem Content redet. Und dann noch von Sport, Spiele, regionales Umfeld, Macht, Geld, Sex und Crime, typisches Boulevard-Geblubber, in der Regel niveaulos. Zumal die Verlage da meistens auch nur die Agentur-Meldungen durchreichen. Sind wir schon so weit gesunken, daß der Verlag der BILD-Zeitung uns nun erzählt, Sex und Crime wäre hochwertiger Content?

Aber selbst wenn man dem folgt: Wenn die Information nicht der Allgemeinheit gehört, wem denn dann? Anscheinend glaubt Springer, daß sie eine Information, wenn sie nicht der Allgemeinheit gehören soll, automatisch als die ihre verkaufen können. Der Springer-Verlag produziert aber weder Sport, Spiele, noch Crime. Das machen andere.

Es kommt mir so vor, als hätten die jahrelang davon gelebt, daß die etwas verkaufen, was ihnen eigentlich nicht gehört, sich nur als Spediteur betätigten, und sich jetzt darüber empören, daß die Leute gemerkt haben, daß es die Information auch über andere Transportwege billiger gibt, und die jetzt so tun wollen, als wäre es ihre Information.

Meines Erachtens muß hinter einer Meldung eine tiefere geistige Leistung, eine Schöpfung stecken, damit sie jemandem gehören kann. Wenn jemand nur weitererzählt, daß da vorne gerade ein Banküberfall stattgefunden hat, dann liegt darin noch keine eigene geistige Schöpfung dessen, der das weitererzählt. Er gibt etwas als seins aus was nicht seins ist.

Anders ist das, wenn jemand vertieft und clever berichtet, Hintergründe beleuchtet. Was nicht gerade das ist, wofür die BILD-Zeitung berühmt wäre. Oder wenn jemand wirklich selbst produziert. Harry Potter zum Beispiel.

Ich glaube, daß da ein anderer Effekt wirkt:

Jahrelang haben die Printmedien mangels konkurrierender Transportmedien davon gelebt, daß sie Informationen durchreichten, ohne sie selbst zu produzieren oder nennenswert aufzuwerten.

Durch das Internet und die Computertechnik ist eine erhebliche Konkurrenz entstanden. Nicht so sehr beim Produzieren und Aufwerten, aber beim Transportieren. Der Wert des Transportierens ist inflationsartig abgestürzt, die Dienstleistung entwertet. Deshalb stehen jetzt die, die nur transportieren, schlecht da, weil sie mit einem Internet konkurrieren müssen, das nicht nur schneller, sondern fast kostenlos ist. Deshalb kann ich auch das Geschrei der Medien über die Nachrichtenfunktion von Google nicht so ganz nachvollziehen. Wenn hundert Webseiten nahezu wortgleich denselben Inhalt transportieren, den sie auch nur von der Agentur gekauft und durchgereicht haben, dann ist das einfach nicht deren Eigentum, sondern eine Ware, die dem Preisverfall aus Angebot und Nachfrage zum Opfer gefallen ist.

Im Prinzip habe ich gar nicht mal etwas dagegen, daß die versuchen, Geld zu nehmen. Wird sich zeigen, was sie davon haben. Ich wäre selbst bereit, für Informationen zu bezahlen. Aber nur für solche, die auch wirklich gut sind, nicht für das allverfügbare Durchquatschen derselben flachen Agenturinfos. Daraus würde sich ein echter Wettbewerb um Qualität entwickeln.

Wahrscheinlich ist die Zeit dieser Massen-Durchreich-Blätter einfach vorbei.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Roger
13.11.2009 23:52
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Herr Döpfner macht hier natürlich nur Polemik, eh klar.

Als Betriebswirtschaftler weiss er, dass in einer funktionierenden Marktwirtschaft der Preis eines Produktes Richtung Grenzkosten strebt. Und der ist halt für viele Informationen, aus denen er seine Produkte baut, mit der heutigen Technologie und mit etwas Unterstützung der Werbetreibenden – siehe Privat-TV – nahe Null. Im Gegensatz zu Bier.

Das hat wirklich nichts mit Kommunismus zu tun.


Mephane
14.11.2009 17:16
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Und dazu kommt außerdem noch, dass ein gekauftes Bier verbraucht wird, Information sich durch Weitergabe aber nicht verbraucht, sondern sogar vermehrt! Daher ist der Vergleich mit materiellen Waren sowieso völlig hinfällig.


Walter
25.11.2009 21:01
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Dazu passt folgender Beitrag bei Deutschlandradio: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1073740/


Hadmut
25.11.2009 21:07
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Hervorragender Link, Danke!