Ansichten eines Informatikers

Das völlig bescheuerte Münchner Tarifsystem

Hadmut
8.11.2009 20:25

Ha! Jetzt ist es offiziell! Der SPIEGEL hat einen wunderbaren Film gedreht. 🙂

Ich bin schon in vier Kontinenten der Welt herumgereist, aber nirgends hatte ich solche Probleme, mir eine U-Bahn-Karte zu kaufen wie in München. Sogar in Peking war das viel leichter als in München. Die haben ein völlig bescheuertes, völlig undurchsichtiges System, bei dem man davor steht wie der Ochse am Berg. Zwar ist das U-Bahn-Fahren in Deutschland generell schwieriger als woanders, weil die Deutschen es nicht für nötig halten, Wegweiser und Pläne aufzuhängen (weshalb ich auch in Frankfurt und Berlin schon geflucht habe), aber das Tarifsystem in München ist definitiv das Schlimmste. Mit Abstand.

Als ich anfangs in Ismaning gewohnt habe, bin ich erst einmal versehentlich schwarzgefahren, weil man da zwar eine Karte in die Innenstadt kaufen kann, die aber nicht ab Ismaning, sondern erst ab Unterföhring zu diesem Tarif gilt. Man kann tatsächlich am Ort A keine Karte nach B kaufen, die nicht von A, sondern nur von C aus gilt. XXL reicht übrigens auch nicht immer, wenn ich jetzt in Unterföhring – obwohl in der Münchner Sicht ziemlich nahe am Flughafen – wohne, muß ich für eine Fahrt zum Flughafen eine Karte für das Gesamtnetz kaufen. XXL reicht nicht. Und je nach Kartenart (Tages oder Monatskarte) berechnen sie mal nach Ringen, mal nach Zonen. Was nicht immer einfach ist, denn in Unterföhring an der S-Bahn haben sie erst gar keine Karte aufgehängt. Wenn man nicht vorher weiß, was man braucht, hat man verloren.

Völlig beknackt ist auch, daß eine Fahrt von Ismaning zum Flughafen drei Zonen umfaßt und deshalb ein Einzelfahrschein 6,90 Euro kostet, die Tageskarte „Außenraum”, mit der man den ganzen Tag zwischen Ismaning und Flughafen hin- und herfahren kann, aber nur 5 Euro. Weil ich das irgendwie nicht glauben konnte, habe ich mal am Fahrkartenschalter am Flughafen gefragt. Doch, das wäre so bescheuert. Deshalb verkaufen sie nur Tageskarten. Der normale Tourist oder Geschäftsreisende weiß das aber nicht und wird übers Ohr gehauen.

Das Müncher Tarifsystem ist – neben der Verkehrsführung in Dresden – für mich das Sinnbild einer ignoranten bis unfähigen Verwaltung, in der irgendwelche Leute auf irgendwelchen Posten sitzen, die sie nicht beherrschen. Demonstration deutscher Inkompetenz gepaart mit behördenschimmliger kundenfeindlicher Detaillierungswut. Kurz nachdem ich hier in München aufgeschlagen bin und vor einem Fahrkartenautomat kapituliert habe, habe ich denen eine E-Mail geschickt. Benutzerfreundlichkeit, Ergonomie und so. Und ne ziemlich blöde Antwort bekommen. Das müßte so sein, das wäre nur so fair und gut. Komisch, warum geht es dann überall sonst auf der Welt? Dem Hersteller der Automaten bzw. derer Firmware kann man durchaus auch Inkompetenz bescheinigen, was Benutzerschnittstellen angeht.

Nun aber hat der SPIEGEL ein herrliches Video über das Münchner Tarifsystem gedreht. Herrlich! (Und daß die jetzt noch naiv und blöd herumforschen müssen, warum die Leute damit nicht klarkommt, ist doch der Beleg völliger Desorientierung. Offenbar haben die Macher noch nie ein anderes System aus anderen Städten oder gar anderen Ländern gesehen. „Wie ist das denn in Singapur?”)

Und der Film ist nicht gestellt. So, ganz genau so wie in dem Film, erlebe ich die Leute jedesmal wenn ich am Münchner Flughafen für den Rückweg ein Ticket kaufen will. Ich habe manchmal den Eindruck, daß man es bewußt verkompliziert um den Leuten überhöhte Preise abzuknöpfen und den erfahrenen Einheimischen billigere Wege zu lassen.

5 Kommentare (RSS-Feed)

Jens
8.11.2009 23:10
Kommentarlink

“Ich habe manchmal den Eindruck, daß man es bewußt verkompliziert um den Leuten überhöhte Preise abzuknöpfen und den erfahrenen Einheimischen billigere Wege zu lassen.”

Das ist aber woanders auch so: In Hongkong kann ich mit dem vollkommen überteuerten Airport Express fahren oder den Bus nehmen. Zum Airport Express führen quasi alle Wege, vom Bus muß man erstmal wissen …

In Sydney dasselbe: Zum Flughafen ist es teurer, als wenn man erst nach dem Flughafen aussteigt.


Hadmut
8.11.2009 23:14
Kommentarlink

Den Airport Express in Hong Kong habe ich damals von der Fluglinie spendiert bekommen, da weiß ich nicht, was er kostet.

Das mit dem Bus in Sydney muß ich mir merken, das wußte ich noch nicht. Ich bin damals mit einem privaten gefahren…


Jens
9.11.2009 10:36
Kommentarlink

Bus in Sydney? Nicht sinnvoll möglich … Damit kommt man bis zu einer CityRail-Station irgendwo in den Vororten …

Aber in Hong Kong kommt man mit dem Bus halt bis beispielsweise zum Star-Ferry-Pier.

Der Airport-Express kostet 10 €. Klar, die Baukosten müssen auch wieder rein …


Irata
10.11.2009 21:41
Kommentarlink

Also das Rumgekloppe auf dem Müncher Tarifsystem verstehe ich nicht, gerade wo Du Deine Wurzeln in Karlsruhe hast.

In München bekommst Du wenigstens Streifenkarten, die man *universell* verwenden kann. Entweder für 10 (oder wieviele Streifen da gerade drauf sind) Kurzstrecken, 5 Normalfahrten oder eben entsprechende Weitverkehrsfahrten. Sowas vermisse ich in KA eklatant.

Was sie in München tatsächlich verpennt haben, ist, daß es Leute gibt, die Zonengrenzen überschreiten und zwar in einer Form, die nicht in München endet. Wie man in den Fällen seine Kosten minimiert, wird z.B. in muc.verkehr diskutiert 😉


yasar
11.11.2009 12:00
Kommentarlink

Kalrsruhe hatte auch mal Streifenkarten. Die waren ganz praktisch:

1 Streifen für ein Kind, 2 für Erwachsene, entsprechend mehr, wenn man durch mehrere Tarifzonen fährt oder zu mehreren fährt. Und dann haben sie die Automaten umgestellt. 🙁