Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Peer-Review: Sprachmuster statt Wissenschaft?

Hadmut Danisch
13.8.2009 23:59

Noch ein Ergebnis einer kürzlich geführten Diskussion über Wissenschaftsbetrug und korrupte Professoren:

Die Diskussion drehte sich um Ehrenautorenschaften und Professoren, die selbst eigentlich nichts mehr arbeiten, aber ihre Mitarbeiter erpressen, sie als Autoren mit zu nennen. Weit verbreiteter als man so denkt. Da brachte mich jemand auf einen Gedanken. Eigentlich wollte derjenige abwiegeln, aber das Ergebnis ist vielleicht noch schlimmer, als er denkt.

Die Überlegung war, daß der Professor sogar dann, wenn er fachlich gar nicht mitgearbeitet hat, es verdient als Autor genannt zu werden, weil er eine Rolle als “Veröffentlichungskatalysator” spiele. In ziemlich vielen Journals hätte man überhaupt keine Chance zu veröffentlichen, wenn kein Professor mit draufstünde. Somit hätte der Prof immer einen großen Anteil an der Veröffentlichung, weil es ohne ihn ja nicht ginge, und sich somit seine Autorenschaft “verdient”. Mir schauderts bei dem Gedanken. Korruption als Grund für Ehrenautorenschaften.

Derjenige nannte aber auch noch einen ganz anderen Grund: Selbst wenn der Professor fachlich nicht folgen kann, würde in vielen Wissenschaftskreisen eine eigene, Cliquen-spezifische Sprache gepflegt. Und wer die in dieser Sprache üblichen Floskeln, Redewendungen, Ausdrucksweisen nicht beherrscht, der hat keine Chance auf Veröffentlichung. Paßt wunderbar auf die geisteswissenschaftlichen Bereiche, die ja – besonders stark ausgeprägt in der Soziologie – ein ganz entsetzlich ausgeprägtes inhalts- und substanzloses aber sperriges Geschwafel produzieren. Ich war mal eine Zeitlang auf einer Mailingliste, die von solchen Geisteswissenschaftlern beherrscht war. Ein unerträglich dummes, verschnörkeltes, ausladendes, selbstgefälliges Geschwafel. Aber wer nicht genauso dämlich geschwafelt hat, wurde von denen erst gar nicht beachtet, nicht mal eine Antwort bekommen. Insofern erscheint mir die Einschätzung plausibel. Die Aufgabe des Professors sei es nun, die Arbeiten seiner Mitarbeiter in die Sprache der jeweiligen Clique zu übersetzen, damit sie eine Chance hat, akzeptiert zu werden.

Könnte gut sein. Ein Paper allein nach dessen Sprache und Redewendungen zu beurteilen würde den typischen Gutachtermethoden genau entsprechen.

Würde aber im Ergebnis heißen, daß der Peer Review völlig wertlos ist – oder eigentlich vom Wert sogar unter Null und schädlich ist. Beachtlich wenn man bedenkt, daß Wissenschaftler ja immer auf den Peer Review verweisen, wenn sie sich gegen Vorwürfe verteidigen wollen.

4 Kommentare (RSS-Feed)

quarc
15.8.2009 23:03
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Aus welchem Fachgebiet kam denn Dein Gesprächspartner?


Hadmut
15.8.2009 23:06
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Politikwissenschaft


ElenaM
18.8.2009 6:49
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Nicht nur, Geisteswissenschaftler. Das ist auch in den Naturwissenschaftlichen u.a. Bereichen zu sehen. Für die Zeitschriften zählt auch ob man aus “Harvard” oder aus “eine unbekannte deutsche Uni” oder Forschungseinrichtung kommt. Oft bei ziemlich gleicher Leistung haben die Deutschen keine Chance in den von Amerikaner dominierten journals, geschwige wenn sie ohne den Prof gewagt haben einzureichen.
Tronzdem geht es ohne Prof. zu publizieren nur dauert es halt 1-2 Jahre länger bis es rauskommt 😉 und dass könnte fatal sein.


Hadmut
18.8.2009 13:08
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Kann ich soweit bestätigen, was Informatik angeht. Die Arroganz der Amerikaner, wonach nur das gut sein kann, was in den USA gemacht wurde, habe ich schon mehrfach beobachtet, u.a. bei der IETF.

Auch zu dem Publizieren ohne Prof habe ich so meine Erfahrungen. Mein Institutsleiter hatte damals jeglichen Publikation, auf denen er nicht mit draufstand, strikt verboten. Angeblich, weil ein Prof “zum Schutz” draufstehen müßte, de facto aber, weil er natürlich wollte, daß sich seine Veröffentlichungsliste ohne sein Zutun automatisch ständig verlängert. Im Prinzip die gleiche Argumentation wie die der Mafia, die von der Pizzeria Geld will, um “beschützt” zu werden.

Allerdings wurden mir solche Effekte, daß Veröffentlichungen nicht angenommen werden, wenn nicht mindestens ein Prof mit drauf steht, schon oft berichtet. Was freilich gegen jede Wissenschaftlichkeit verstößt.

Das dürfte verschiedene Gründe haben:

Das ganze beruht natürlich auf Zitierkartellen, weswegen die begehrten Konferenzvorträge nur unter denen gehandelt werden, die im Gegenzug auch wirksam einladen oder zitieren können. Am MIT in Boston habe ich mal eine ziemlich üble Konferenz mitgemacht, die man von 2 auf 1 Tag gekürzt hat, weil man eigentlich nur die hören wollte, die sich sowieso gegenseitig immer einladen. Alle anderen durften nur zum Zuhören und Zahlen kommen, um das Abendessen zu subventionieren. Es gab schauderhafte Vorträge, und Fragen und Einwände zu stellen, war absolut verpönt. Sogar einen Vortrag mit dem großen Ron Rivest als Co-Autor gab es, grottenschlecht, voller Fehler. Keiner hat was gesagt. Als ich mal die Fehler in diesem Vortrag auseinandergenommen habe, hat mich Ron Rivest hinterher angesprochen und gesagt, daß er da auch nur so draufgestanden hatte.

Jennifer Sebery hat mir mal erzählt, daß es ihr – genau deshalb – häufig passiert, daß sie auf irgendwelchen grottenschlechten Papers als Autorin mit drauf steht ohne davon zu wissen. Manche Leute schreiben halt einfach Profs mit drauf, damit sie angenommen werden.

Das ganze kann natürlich auch auf Absprachen zurückgehen, damit das gar nicht erst in Mode kommt, daß die Mitarbeiter ihre Papers ohne den Prof drauf schreiben.

Und der Standesdünkel ist enorm. Es geht nicht um Richtigkeit oder Wissenschaftlichkeit, sondern um ein ziemlich rigides Standessystem. Recht hat immer der Ranghöhere. Man muß daher in den Augen vieler Wissenschaftler mindestens Prof sein, um überhaupt Recht haben zu können.