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Juristisches Staatsexamen vom Freistaat Bayern vermurkst?

Hadmut Danisch
24.6.2009 0:45

Da schreibt mir doch ein Leser gerade etwas, was doch mal wieder genau in mein Beuteschema paßt:

Das Landesjustizprüfungsamt Bayern scheint – wenn das stimmt, was ich erfahren habe – ein ziemliches Schlamassel angerichtet und einige der Juristenprüfungen zum ersten Staatsexamen (bzw. Staatsprüfung) vermurkst zu haben.

Laut Bayerischem Gesetz scheint es so zu sein (habe jetzt nur einen Auszug gesehen, erscheint aber plausibel), daß Gegenstand der ersten juristischen Staatsprüfung nur die im Gesetz aufgezählten Pflichtfächer (Teiles aus dem Bürgerlichen Recht, Handelsrecht, Arbeitsrecht usw.) prüfen darf.

Man scheint aber 2007 und 2008 bei vier Prüfungsterminen andere Fächer, nämlich Wahlfächer abgeprüft zu haben. Und da scheint es auch schon Klagen gegen den Freistaat Bayern zu geben. Da es angeblich über 1000 Jura-Studenten betrifft, könnten da heftige Schadensersatzforderungen auf das Land Bayern zukommen (wobei sich “heftig” etwas relativiert, vergleicht man es mit den Schäden durch die Landesbank, aber halbe Sachen machen die hier nicht, auch nicht bei den Schäden, die sie anrichten).

Die Auswirkungen sind in doppelter Hinsicht katastrophal:

Einmal stehen die betroffenen Studenten natürlich blöd da, und das nach jahrelangem Studium. Wenn man weiß, wie knallhart bei den Juristen nach der Examensnote selektiert wird, und dieser Fehler scheint sich auf die Gesamtnote erheblich ausgewirkt zu haben, dann dürfte da einigen tausend Juristen zu Unrecht die Karriere und/oder die Promotionsmöglichkeit versaut worden sein – weil da irgendein Beamter mal wieder tief geschlafen hat und seinen Job nicht beherrschte. Kommt mir so bekannt vor.

Die Sache hat aber noch einen ganz anderen Haken:

Art. 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz:
Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

Nehmen wir mal an, da ist einer trotz des falsch geprüften Faches gut und ohne Schaden durchgekommen (oder hatte sogar Vorteile, weil er relativ zum schlechter bewerteten Konkurrentenfeld besser dasteht). Und wird Richter. Und irgendeine Partei ist mit einem Urteil nicht zufrieden. Da könnte man auf den Gedanken kommen, dies über Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (was übrigens verfassungsbeschwerdefähig ist) anzugreifen. Denn wer nicht entsprechend dem Gesetz geprüft worden ist und damit die gesetzlich geforderte Befähigung zum Richteramt nachgewiesen hat, ist – wenn man es genau nimmt – kein Richter in der Weise, wie das Gesetz sie als einzig möglich vorsieht. Es wäre die Frage, ob jemand mit einem solchen Staatsexamen überhaupt noch gesetzlicher Richter werden kann.

Was in der Konsequenz sogar dazu führen könnte, daß einer dieser Betroffenen sogar trotz Bestnoten nicht Richter werden könnte, wenn da irgendwer vor der Ernennung davon Wind bekommt.

Herrlich. Genau nach meinem Geschmack.

Bin mal gespannt, was da noch rauskommt. Wenn ich Zeit habe, gehe ich vielleicht mal zu einem dieser Gerichtstermine.

Man fragt sich allerdings dann auch irgendwo, was solche Prüfer eigentlich befähigt, Juristen abzuprüfen.

(Ich habe vor vielen Jahren mal einen Rechtsstreit geführt, bei dem mir dann hinterher der Richter der ersten Instanz Amtsgericht freudestrahlend sagte, daß er meine Klage zwar abweise, er den Fall, meine Klage und die Argumentation aber für so interessant und anspruchsvoll gehalten habe, daß der Fall eine Prüfungsaufgabe in einem juristischen Staatsexamen geworden sei, er gehörte da irgendwie zu den Prüfern. Ich habe auch gegrinst und dann in der Berufung zum Landgericht nachgewiesen, daß sein Urteil erheblich fehlerhaft war. Und danach haben die dann geprüft. War aber in Rheinland-Pfalz.

Und was mir wegen meiner Webseiten von Jura-Studenten schon alles über die Spinnereien und Fehler ihrer Jura-Professoren berichtet haben, geht auch auf keine Kuhhaut. Seitdem habe ich so meine ganz eigene Meinung über das juristische Staatsexamen. Und die ist nicht sonderlich gut.)

4 Kommentare (RSS-Feed)

Jens
24.6.2009 1:21
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Interessant finde ich auch, wenn Fälle ohne grundsätzliche Bedeutung (VGH, Ablehnung der Berufungszulassung) in Juris veröffentlicht werden …

Zu dieser unbedeutenden Frage kriege ich demnächst wohl eine Entscheidungsanmerkung in einer Fachzeitschrift …

Zum gesetzlichen Richter: Wenn man Lust drauf hat, kann man das schon nach Karlsruhe bringen, kostet ja nichts. Dazu muß man erstmal mitkriegen, welche Richter davon betroffen sind …

Zu Deiner Auslegung von Art 101: Hast Du das mit einem Lehrbuch oder Kommentar abgeglichen, oder ist das Deine persönliche Meinung?

Zu Deinem AG-Fall: Prüfungsaufgabe oder Aktenvortrag?


Hadmut
24.6.2009 20:34
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101: Gerade nicht mit Kommentar abgeglichen, weil in irgendwelchen Umzugskartons vergraben. Normalerweise beziehen sich Kommentar jedoch darauf, daß man ein Gericht in der gesetzlichen Zusammenstellung bzw. dem Spruchkörper und nach der gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeit haben muß.

Die Variante, die auf die Ausbildung abzielt, kenn ich noch nicht. Aber es ist eine gesetzliche Vorgabe, welche Qualifikation und Ausbildung ein Richter haben muß. Und das Staatsexamen ist nun einmal eine Berufszugangsprüfung. Und wenn einer den Berufszugang nicht hat, weil seine Prüfung nichtig war, kann er eben nicht gesetzlicher Richter sein.

AG-Fall: Wie meinen?


Jens
25.6.2009 14:15
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Es gibt afaik für Richter die Möglichkeit, interessante Fälle für den Aktenvortrag im Rahmen des juristischen Staatsexamens vorzuschlagen. Daraus wählt dann der Prüfungsausschuss o.ä. nochmal aus, und es bekommt wohl jeder Kandidat eine “eigene” Akte. Das hieße dann, daß es keine Prüfungsaufgabe wird, die auch noch so gelöst werden muß, wie der Richter das entschieden hat.

http://de.wikipedia.org/wiki/Aktenvortrag


Jens
25.6.2009 14:27
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Zum gesetzlichen Richter: Da dürfte es eine Rolle spielen, ob der Prüfungsbescheid tatsächlich nichtig oder nur ganz normal rechtswidrig ist.