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Wahlgeheimnis durch Handy-Kamera gebrochen?

Au, ist das hart:

Der SPIEGEL bzw. im Original die FAZ berichten, daß Abgeordnete der SPD bei der Wahl des Ministerpräsidenten in Hessen dazu gedrängt worden seien, ihre eigene Wahl mit einem Handyfoto zu beweisen, also zu belegen, daß sie Ypsilanti gewählt haben.

Ich freß einen Besen. Was ist denn das für eine Bande?

Es ist bekannt, daß viele Parteien ihre Abgeordneten drängen, auf dem Stimmzettel selbst irgendwelche Markierungen anzubringen, quasi als Hidden Channel. Manchmal tauchen deshalb Stimmzettel auf, auf denen dann statt Kreuze Pluszeichen (also um 45 Grad gedrehte Kreuze) als Fraktionszeichen oder sowas auftauchen. Oder auch ein Knick. Deshalb hat hier der Landtagspräsident die Stimmzettel laminieren lassen und die Wahl durch das Einstechen eines Loches mit einem Dorn durchführen lassen, um solche Markierungen durch Abgeordnete zu erschweren.

Was ist denn das für eine Sauerei? Was für Leuten vertraut man da die Regierung des Landes an?

Vor diesem Hintergrund gewinnt das Wahlgeheimnis an weitaus höherem Wert als man bisher so gedacht hat.

Zwei Überlegungen dazu im Zusammenhang mit dem kürzlich diskutierten Wahlverfahren “Bingo Voting”:

  • Insofern ist die Überlegung, ein Wahlverfahren gezielt auf “Coercion Free” auszulegen, sicherlich sehr sinnvoll. Ich muß zugeben, ich hatte bei solchen Erpressungen eher an Mafia oder totalitäre Staaten als an unsere eigenen Parteien gedacht. Vielleicht ist der Unterschied da nicht so groß.
  • Man kann sich vor diesem Hintergrund freilich überlegen, ob bei “Coercion Free” der Angreifer gegen den Wähler mit dem Angreifer gegen die Wahlmaschine identisch wäre oder nicht. Hier in diesem Fall fallen sie auseinander, weil man ja erkennbar sehen kann, daß der Landtagspräsident versucht hat, solche Markierungen unmöglich zu machen. In “Bingo Voting” wird unter Coercion ausschließlich der Fall betrachtet, daß der Angreifer die Wahlmaschine nicht kompromittiert, sondern nur den Wähler erpresst, also genau der Fall, der hier bei der SPD vorliegt.

    Trotzdem halte ich es für einen kapitalen Fehler, Coercion auf diesen Spezialfall zu beschränken, denn der Landtagspräsident könnte – je nach Lage der Parteien – durchaus auch einem solchen Druck unterliegen. Auch wenn es hier jetzt nicht so war, könnte es durchaus vorkommen, daß der Erpresser mit dem Angreifer auf die Wahlmaschine zusammenfällt. Und viel hätte auch hier dazu nicht gefehlt.

  • Es zeigt aber auch, daß die Herangehensweise der Bingo-Voting-Autoren zu blauäugig ist und der rein kryptographisch-universitäre Tunnelblick nicht für die reale Sicherheit taugt. Zwar haben die Autoren selbst in einem Forum eingeräumt, daß man dem Wahlleiter soweit trauen muß, daß in der Wahlkabine keine versteckte Kamera aufgehängt ist.

    Die Variante, daß man den Wähler dazu zwingt, die Kamera gleich selbst mitbringt, hat man nicht berücksichtigt (zugegeben, die Variante habe ich auch nicht bedacht, aber ich habe mich ja eigentlich auch nur ein paar Abende und nicht über 10 Mannjahre damit befaßt…).

    Wer den Wahlvorgang selbst filmt oder fotographiert, ist bei Bingo Voting wesentlich schlechter dran als bei normalen Papierwahlen. Denn wenn man die Anzeige des Zufallszahlengenerators filmt, ist man viel eindeutiger entlarvt, als wenn man ein Foto irgendeines Wahlzettels vorzeigt. Das könnte das Foto eines anderen Wählers sein. Oder ein Imitat. Oder ein Zettel, der danach noch ungültig gemacht wurde.

    Gut, bei Bingo Voting könnte man auch eine Attrappe des Zufallszahlengenerators bauen, auf dem die Zahl bei SPD anzeigen und dann ein Foto machen. Ist aber viel mehr Aufwand. Oder das Foto selbst oder den Film fälschen. Insgesamt sehr schwierig. Problematisch ist aber, daß man den ganzen Wahlvorgang filmen und durch die angezeigte Zufallszahl eindeutig machen, zuordnen und später der Wahlquittung zuordnen kann.

Es ist gar nicht so einfach, solche Angriffe wie die Handy-Erpressung abzuwehren.

Die Frage ist aber, was Wahlen überhaupt noch bringen, wenn Leute an die Regierung kommen (sollen), die selbst die Fundamentalwerte unserer Verfassung nicht mehr achten. Nicht daß ich glaube, daß es bei den anderen Parteien besser wäre.

Aber ich bekomme da auch ein immer plastischeres Bild von den Hintergründen der Einflußnahme auch auf Hochschulen und Sachverständige.

6 Kommentare (RSS-Feed)

Battleaxe
7.12.2008 11:58
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Das Problem beginnt und endet mit den Parteien.
Diese müssen um Macht auszuüben (uns das ist das alleinige Ziel der meisten Berufspolitiker) mit einer Stimme sprechen. Tun sie das nicht ist ihre Macht gefährdet/gebrochen.
An diesem Machthebel setzt auch der Lobbyismus an.
IMO ist die Demokratie nur zu retten wenn sie direkter gemacht wird. Etwa in dem Gesetze entstehen wie Wikipedia Artikel. Nur so können kleine unbemerkte aber wirkungsstarke Nebensätze unterbunden werden. Mitarbeiten kann jeder den es interessiert und der Text ist wesentlich näher an der demokratischen Realität als unsere jetztigen Lobbyergüssen. Auch wenn viele von uns Probleme damit haben wenn Schützen Waffengesetze mitschreiben oder Feuerwerker Sprengstoffrecht. Trotzdem sind diese Gruppen wesentlich kompetenter als Politiker nach Emsdetten oder 911.


Jens
7.12.2008 16:21
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Das ist Nötigung von Verfassungsorganen, Straftat nach § 106 StGB.


Stefan
7.12.2008 18:14
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Haha – gerade im Radio davon gehört, allerdings garniert mit einem Dementi. Und meine erste Idee war: Mal sehen, ob Hadmut schon dazu gebloggt hat, so daß ich meiner Empörung pointiert Ausdruck verleihen kann. Und siehe da: Er hat. 🙂

Also meine pointierte Empörung hier: Das sind also die Leute, die über Wahlcomputer bestimmen dürfen!

Ich bin bedient.

Das Bingovoting habe ich immer noch nicht ganz verstanden. Ich bräuchte ein kleines Set um es in den eigenen 4 Wänden nachzuspielen.

Meine Idee war, statt des Zufallszahlengenerators ein Skatspiel zu verwenden.
Es gibt 2 Kandidaten (Mama u. Papa) und die Kinder (4) sollen sagen, wer lieber ist. Ja – ein kitschiges Beispiel. 4 braucht man, damit 2 so und 2 so wählen können, und niemand weiß, was wer gewählt hat.
Zur Not mit 2 Kindern, und die Eltern dürfen mitwählen.

Der Wahlleiter stellt also 4 Wahlzettel aus, und mischt zu jeder Antwortmöglichkeit (4×2) eine Spielkarte zu.
Daß bei einem Kartenspiel die Karten dann weg sind, während im geplanten Verfahren die doppelte Verwendung einer Zufallszahl nicht ausgeschlossen ist, mal beiseite.

Also Wahlzettel 1 mit M=Pik 7, P=Herz 8 in einem Umschlag, und 3 weitere ähnliche Umschläge, und jedes Kind bekommt einen Umschlag zugelost.

Jetzt bin ich in der Rolle eines Kindes, und bekomme obigen Umschlag. Ich wähle Mama, und d.h. die Pik 7, die bei Mama war, kommt weg, und ich bekomme eine neue Karte, 10 Kreuz.

Wenn es jetzt eine Liste der ursprünglich gezogenen Karten gab, dann sieht man, die Herz 8 bei P ist noch da, also wurde P nicht gewählt, und fliegt raus – gewählt bleibt M.

Auf meiner Quittung steht 10 Kreuz=M, und Herz 8=P, so daß ein Fremder nicht weiß, was ich gewählt habe. Ich habe in der Wahlkabine aber gesehen, wie die Pik-7, die M zugeordnet war, durch Kreuz-10 ersetzt wurde.

Jetzt soll am Ende der Wahl ein Päärchen aus der Liste A oder der Liste B veröffentlicht werden, woraus ich entweder dies oder jenes ableiten kann. Es könnte Kreuz-10 sein, dann wüßte ich, diese Stimme wurde auch gezählt.
Na – ich glaube ich habe es immer noch nicht verstanden. Vor allem weil es zwischendurch heißt, es würden keine Listen gespeichert.

Die meisten Schwächen des Verfahrens konnte ich zum Glück ohne das verstehen. (z.B.: Der Rechner ist vertrauenswürdig, weil, das ist eine Vorraussetzungen, von der wir ausgehen.:) )


yasar
9.12.2008 15:33
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Den Druck auf die Abgeordneten, immer so abzustimmen wie es die Partei will, gibt es aber schon immer, nur die Durchsetzung wird mit den heutigen technischen Möglichkeiten imemr besser.

So habe ich es als Kind nie verstanden, warum es einen Fraktionszwang gibt, bei dem die Abgeordneten so bstimmen “müssen” wie es die Fraktion vorschreibt. Dabei hatte ich damals schon eine gute Vorstellung davon, was eine Demokratie ist, auch wenn das erst viel später im Politikunterricht behandelt wurde.

Vorschlag zur Erweiterung des Wahlprotokolls, um solchen “Zwang” auszuschließen:

Gewählt wird nackt! D.h. Niemand darf außer dem Stimmzettel und einem Stift irgendetwas anderes in die Wahlkabine mitnehmen.

Das würde zumindest die Erpressungen ein wenig schwieriger gestalten.


lmx
27.12.2008 0:08
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Wers glaubt wird selig. Hat sich um einen Scherz beim Mittagessen gehandelt, es wurde keinerlei Druck ausgeübt.
Die “führenden” Medien – in Hand von Bertelsmann und Spiegel mobben Ypsilanti seit Monaten. Der Klassiker: Ein Gerücht wird sofort durchgereicht – ohne jegliche Nachfrage. Das Dementi erfogt wachsweich – falls überhaupt…

In solchen und ähnlichen Fällen kurz auf http://www.nachdenkseiten.de nach Hinztergrundinfos suchen…..


lmx
28.12.2008 6:11
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Nochmals zur Info:
Es handelte sich um ein Gerücht.
Die Idee mit dem handy hat jemand aus Spass in den Raum geworfen. Das wars dann aber auch.
Die Behauptung wurde inzwischen von drei der sogenannten Rebellen dementiert.
Da das Gerücht so wunderbar in das Bild von der angeblich durch und durch verschlagenen Frau Ypsilanti passt wird es sich wacker halten. das Dementi ist auch in den wenigsten Medien publiziert worden…
nach heftiger Recherche habe ich nur folgenden Link finden können:
http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/649665/Ypsilanti-weist-absurde-Vorwuerfe-zurueck.html
Das Ganze zeigt wie schwer es ist in Deutschland politische Ziele durchzusetzen die den das Pressewesen dominierenden Konzernen nicht in den Kram passen….