Ansichten eines Informatikers

Der Sturm und die “schöne Co-Pilotin”…

Hadmut
4.3.2008 22:09

Ich bekomm schon wieder das kalte Grausen, wenn ich sehe, welche Meinungen die Presse, vor allem Zeitungen mit Bildern drin, wieder unters Volk streut. Diesmal geht es um den Beinahe-Flugzeug-Crash in Hamburg, der ja nun in allen Zeitungen und Sendungen zerfleddert wird.

Nichts ist zu dämlich, als daß es nicht als Aufmacher herhalten könnte.

Wer’s noch nicht mitbekommen hat: Am Samstag mißglückte eine Landung eines kleineren Lufthansa-Airbus in Hamburg fast. Die Maschine kam im Sturm wegen starken Seitenwindes deutlich sichtbar in den Wind gedreht und etwas wackelig herunter, setzte kurz auf der Landebahn auf, bekam Wind von der Seite, der einen Flügel anhob, wodurch der andere so weit runterging, daß er den Boden kurz berührte. Die Maschine schlingerte, konnte nicht mehr gerade landen, wurde durchgestartet, flog nochmal eine Runde und landete dann normal. Das war’s. Mehr ist eigentlich nicht passiert. Daß ein Flugzeug im Wind wackelt, ist eigentlich nichts besonderes. Hier war es halt mal etwas stärker, und hinzu kam der Zufall, daß es Leute gleich auf Video aufgenommen und fotografiert hatten. Ein Fressen für die Presse.

Erst hieß es noch, die Piloten hätten ganz toll reagiert, Spitzenleistung. Da stellte man sich wohl noch den souveränen Mann von Welt mit kantigem Kinn, leicht grauen Schläfen und überlegenem Auftritt vor, das Klischee vom starken Mann eben. Irgendwie fällt mir da eine Werbung aus den 70er Jahren ein, mit einem Bild von einem Mann als Piloten, war glaube ich die Werbung der Zigarettenmarke “Peter Stuyvesant” mit dem Slogan “Der Duft der großen weiten Welt”. Echte Männer eben.

Aber ach. Man fand heraus, daß die Landung da von einer Pilotin durchgeführt worden war. Schlimmer: Sie war nur die Co-Pilotin und nur 24. Noch schlimmer: Sie ist ein deutliches Stück kleiner als der Kapitän und sieht deshalb nicht nach Mann von Welt aus. Noch viel schlimmer: Sie ist blond. Und am allerschlimmsten: Sie sieht auch noch aus wie 24. O gottogott. Jung, zierlich, blond, weiblich. Das Klischee der Unerfahrenheit. Junge blonde Frauen sind nämlich immer unerfahren, vor allem in den Zeitungen, in denen sie immer als Pin-Up auf der Titelseite prangen. Die kann man also nicht mehr als Heldin hinstellen, da muß man die Richtung ändern. Also titelte etwa die Bildzeitung:


Horror-Anflug von Hamburg
Die schöne Co-Pilotin (24) steuerte den Airbus
War sie etwa zu unerfahren?

Über hundert Menschen in Lebensgefahr, weil der Pilot einem unerfahrenen Mädchen die Landung überließ? Verschärfte Form von “Frau am Steuer”? Gehört einen Airbus zu landen nicht in die gleiche Kategorie wie ein Auto einzuparken, von dem ja jeder weiß, daß blonde Frauen das auch nicht können? Keiner weiß, was passiert ist, aber Bild weiß, warum? Und der SPIEGEL und andere stimmen in den Chor ein.

Die Menschen haben unverletzt überlebt. Weil ein Held an Bord war, nämlich wieder ein Bild von einem Mann, wie aus der Werbung, groß, dunkelhaarig. Und der hat die Maschine durchgestartet und allen das Leben gerettet. So steht es in der Zeitung. Der Kapitän ist ein erfahrener Pilot, 39 Jahre alt (weil in deutschen Zeitungen sowieso niemand ohne Altersangabe auftauchen kann), seit 6 Jahren Kapitän und seit 17 Jahren bei der Lufthansa.

Ob da mal jemand nachgerechnet hat?

Wenn der mit 39 seit 6 Jahren Kapitän und seit 17 Jahren bei der Lufthansa ist, dann hat der mit 22 angefangen und wurde mit 33 Kapitän. Der mußte also auch schon in jungen Jahren fliegen, um jetzt erfahren zu sein.

Manchmal kommt mir die Presse vor wie der Mann, der las, daß man erst nach 7 Jahren wirklich Auto fahren kann und deshalb die ersten 7 Jahre gar nicht gefahren ist, weil er die Phase der geringen Erfahrung überspringen und gleich als erfahrener Autofahrer anfangen wollte.

Mir ist es jedenfalls lieber bei einer Fluglinie zu fliegen, die dafür sorgt, daß Kapitäne mit 39 schon 6 Jahre als Kapitän und insgesamt 17 Jahre Erfahrung haben, und dazu gehört eben auch, daß junge Piloten auch in schwierigen Situationen (mit einem erfahrenen Partner, aber eben selbst) fliegen. Sonst wäre es nämlich keine Erfahrung. Oder wollte man lieber mit einem Piloten fliegen, der bisher nur bei schönem Wetter selbst landen durfte, aber schon dabei zugesehen hat, wie man es bei schlechtem Wetter macht? Einräumen will ich allerdings, daß man seine Flugerfahrung auch mit Frachtmaschinen sammeln kann.

Es heißt, die Pilotin sei hinterher etwas “durch den Wind”, also mit den Nerven fertig gewesen. Das muß nicht heißen, daß sie überfordert war. Vielleicht hat sie sich in dieser Situation vielmehr Erfahrung angeeignet. Vielleicht ist das genau der richtige Weg, um dann irgendwann, vielleicht sogar früher als mit 39, ein erfahrener harter Knochen zu werden, der jede Situation beherrscht. Vielleicht ist das besser als im Simulator.

Übelkeit beim Fliegen muß jedenfalls nicht unbedingt auf die Bewegungen des Flugzeugs zurückzuführen sein. Es könnte auch an den gereichten Zeitungen liegen.

Wer in ein Flugzeug steigt, der sollte eigentlich wissen, daß das Ding nicht auf Schienen fährt sondern in der Luft rumfliegt und die Luft sich bewegt, und sogar daß Piloten Fehler machen können. Das sind nämlich Menschen. Und für noch lange Zeit traue ich denen insgesamt immer noch viel mehr zu als dem Computerpiloten.

Vermutlich aber hat noch keiner der Schreiberlinge darüber nachgedacht, warum er eigentlich bei der Landung angeschnallt sein, den Tisch hochklappen und seinen Krempel in die Staufächer räumen muß. Das hat tatsächlich einen Grund.

3 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
5.3.2008 4:33
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Wäre die Copilotin keine Pilotin, aber Ossi oder schwarzer Hauptfarbe, wäre es wohl ähnlich ausgeschlachtet worden.

War es jetzt ihr Verdienst, daß es nicht schlimmer gekommen ist, oder ihr Versagen, daß es so schlimm gekommen ist?

Und der Heldenpilot – hätte der mit seiner Erfahrung nicht wissen müssen, daß er so ein Manöver selbst fliegen muß?

Dann gibt es aber noch Landebahn-Windrichtungs-Theorie.
Etwas verwundert nahm ich vorgestern zur Kenntnis, daß Wetterfrosch Kachelmann erklärt, welche Landebahn die richtige ist, aber vielleicht hat er ja einen Pilotenschein, und kennt sich daher etwas mehr aus, als die Nichtpiloten.

Das eigentliche Phänomen ist aber, daß man die spektakulären Aufnahmen hat (macht die nicht vielleicht regulär der Flughafen – waren das wirklich Zufallsaufnahmen?), die man irgendwie bringen muß, und daß man dann eine Geschichte dafür braucht, um die Bilder in einer Nachrichtensendung legitimieren zu können.

Jetzt will ich aber mal ein Bild der Copilotin sehen. 🙂


yasar
6.3.2008 14:49
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Bei der ganzen Geschichte wird übersehen, daß der Pilot ein besserer Pilot gewesen wäre, wenn er gar nicht erst bei dem Wetter losgeflogen wäre. Natürlich wären dann viele Fluggäste sauer gewesen, daß sie verspätung gehabt hätten udn die Fluggesellschaft wäre vielelicht wegen der zusatzkosten sauer gewesen. Aber mir ist es lieber einmal zuviel Bammel zu haben als einmal zuwenig (Nicht umsonst ist die richtige Portion Angst wichtig für das Überleben).

Aber ich hoffe, daß diese Landung die Erfahrung bzw. das Wissen vieler Piloten steigert und diese sich dann trauen im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen, auch wenn sie vielleicht unpopulär sein mag.

Zu den Qualitäten der Copilotin kann ich nichts sagen, da ich bisher auch kein Bild von ihr gesehen habe. 🙂


Jens
6.3.2008 23:10
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Sie war auf der Titelseite von BILD (im Lidl gesehen). Schlagzeile: “Flugkapitän ließ seine 26jährige Copilotin an den Steuerknüppel.” oder so ähnlich.