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Zwei Kubikmeter Informat(ions|ik)-Müll

Hadmut Danisch
8.7.2007 17:16

Ich habe seit Anfang des Jahres in mehreren Schüben die Arbeitszimmer in meinen zwei Wohnungen aufgeräumt und intensiv ausgemistet (und bin noch nicht einmal ganz fertig). Dabei sind über zwei Kubikmeter Bücher, Zeitschriften, Papers, Ausdrucke, Konferenzmaterial in den Altpapiercontainer gewandert, teilweise habe ich einen Transportwagen eingesetzt, um das schwere Zeugs nicht die 100 Meter bis zum Container schleppen zu müssen. Was sich halt über die Jahre so ansammelt. Ein kleiner Teil juristisches Zeugs, etwas mehr allgemeine Informatik, und natürlich der überwiegende Teil aus dem Bereich der Sicherheitstechnik.

Natürlich habe ich das Zeugs nicht einfach so weggeworfen, sondern durchgeguckt und aussortiert.

Das erschreckende daran: Das war wirklich Informationsmüll und nicht nur Informatikmüll!

Wenn man sich das mal mit ein paar Jahren Abstand anschaut, was in der Informatik, besonders in der Sicherheitstechnik an angeblich wichtigen Sachen veröffentlicht wird, was auf Konferenzen als wichtige Neuigkeit ausgegeben wird, und was davon dann tatsächlich auch nur die geringste Bedeutung erlangt hätte oder sich wenigstens als richtig herausgestellt hätte, kommt man ins Grübeln. Liest man mit ein paar Jahren Abstand mal drüber, stellt sich vieles als substanz- und belangloses Geschwätz heraus. Inzwischen ist es in den “Wissenschaften” üblich geworden, daß man auf Teufel komm raus irgendwas publiziert. Viele der Konferenzen, Veranstaltungen, Zeitschriften haben überhaupt keinen ernsthaften Informationswert, sondern dienen offenbar nur als Alibi zur Verlängerung der Publikationsliste. Bei manchen Journalen fragt man sich, ob sie nicht mehr Autoren als Leser haben, und nur dem Zweck dienen, irgendwelchen Käse überhaupt irgendwie auf Papier zu bringen.

Bei einem Journal ist mir aufgefallen, daß es mehr Editoren als Autoren im Jahr gibt. Ich weiß aber von einigen der Editoren, daß sie ihre Tätigkeit besonders herausstellen und quasi als Titel führen. Da dient das Journal dann wohl sogar als Titellieferant.

Früher waren mir Bücher heilig, ich hätte niemals ein Buch weggeworfen. Nun habe ich die Bücher, die ich noch aus dem Studium hatte, viele vorlesungsbegleitend, mal mit Abstand durchgesehen: Vieles davon war völlig oder fast völlig irrelevant, einiges davon verfehlt, manches gar falsch. Vieles erweckte den (oder verstärkte den lang bestehenden) Verdacht, daß es nicht ausbildungstragend war, sondern nur die Daseinsberechtigung für einen Lehrstuhl lieferte und ersatzlos hätte gestrichen werden können. Dabei scheinen irrelevante Themen durchaus komfortabler zu sein, wohl weil weniger Kritik und weniger Konkurrenz zu erwarten ist.

Und natürlich kostet das alles viel Geld, das überwiegend ungelesen (d.h. nur Überschrift, Abstract) in den Müll wandert. Einige Journals kommen finanziell kaum über die Runden, aber an manchen verdienen einige ziemlich dicke. Warum muß man das Zeug eigentlich überhaupt noch auf Papier drucken und per Post verschicken?

Ein anderer Aspekt: Man findet nichts. Das Zeug ist wie vor hundert Jahren als Zeitschrift einfach zeitlich hintereinandergeklatscht. Wenn man sich erinnert, daß man mal irgendwo zu einem Thema was gesehen hat – kaum wiederzufinden. Es geht wohl auch gar nicht ums lesen und finden, sondern eher ums schreiben und verkaufen.

Es wird höchste Zeit, daß die Publikationen auf digital und OpenAccess umgestellt werden, mit ordentlichen Suchmaschinen, thematischer Ordnung und selektiver Benachrichtigung. Dann holt man sich nämlich nur noch, was einen interessiert.

Hoffentlich gibt es da mal eine Entwicklung wie im Schallplatten/CD-Bereich: Früher war ein Album gut und mit Mühe gemacht. Da gab es auf einer Doppel-LP vielleicht zwei Stücke, die nichts waren. Dann kam die Zeit der Überflutung mit Müll: Mit Glück waren auf einer Musik-CD zwei gute Stücke, der Rest Schrott. Und die Plattenindustrie hat sich gewundert, warum die Verkäufe in den Keller gingen. Inzwischen geht es wieder besser, weil man nicht mehr Musik auf körperlichen Datenträgern und ganze Alben kauft, sondern nur noch einzelne Musiktitel für kleine Beträge. Plötzlich muß man nur noch das kaufen, was man wirklich hören will.

Diese Erkenntnis und Veränderung steht der Wissenschaftsmühle (hoffentlich) noch bevor.

Bleibt die Feststellung, daß ich von dem Geld, das da nutzlos und ungelesen in den Müll wanderte, durchaus eine mehrmonatige schöne und luxuriöse Reise in ferne Länder hätte machen können. Das wäre der sinnvollere und bessere Weg gewesen, das Geld zu verbraten. Das hat mir nur vorher keiner gesagt.