Ansichten eines Informatikers

Sony Ericsson K610i – UMTS – Linux

Hadmut
27.10.2006 23:27

So, nun bin ich von einem Nokia 6230 auf ein Sony Ericsson K610i mit UMTS umgestiegen und hab die letzten Tage mehr oder weniger erfolgreich/los versucht, das Ding unter Linux zu betreiben. Meine Beobachtungen:

Drei Dinge stören mich an diesem Handy:

  • Die Benutzeroberfläche ist bunt, aber nicht unbedingt immer intuitiv und verständlich, zumal sie nicht immer so toll eingedeutscht ist. Die Anleitung geht nicht in die wichtigen Details und bleibt ziemlich oberflächlich. Man braucht sie erst gar nicht zu lesen. Vermutlich haben die Schreiber auch nicht damit gerechet, daß irgendwer sie liest. Auch der Provider (E-Plus/Base) sagt überhaupt nichts zur Konfiguration der UMTS/Internet-Dienste. Die Eigenschaften und Funktionsweisen der verschiedenen Profile darf man raten, etwa den Unterschied zwischen den Profilen Web und WAP. Bei allgemeinen TCP/IP-Verbindungen verhalten die sich nämlich unterschiedlich.
  • Obwohl das Handy schon einige Zeit auf dem Markt ist, scheint die Firmware noch immer mit der heißen Nadel gestrickt zu sein. Ich habe gerade bei Internet/USB-Nutzung häufig Abstürze, das Handy läßt sich dann teilweise nicht mal mehr normal abschalten. Oder es verschwinden einfach Funktionen. Mails im Zeichensatz 8859-15 (deutsch mit Euro-Zeichen) werden erst gar nicht dargestellt, beim SMTP-Verkehr gibt es einige Fehler und der RSS-Reader ist zwar sehr schön, kommt aber mit vielen Feeds (insb. RDF und Atom) nicht klar. Beim Web-Surfen gibt es häufig Funktionsstörungen, deren Ursache mir aber noch nicht klar ist.
  • Das Ding braucht ordentlich Strom, der Akku ist definitiv unterdimensioniert. Es ist zwar ganz lustig, so etwa die Wartezeit beim Arzt mit Surfen und E-Mail-Lesen zu verbringen, aber ruckzuck ist der Akku leer. War bei mir mal an einem Vormittag der Fall (zugegeben, der Akku war noch neu). Mein Nokia hab ich so alle Woche mal ans Ladegerät. Wenn ein Handy wichtig ist oder auch für Notrufe da sein soll, ist es ärgerlich, wenn im falschen Augenblick der Akku leer ist (oder das Handy abgestürzt).

Zugriff auf Adressdaten

Hab ich bisher unter Linux (Debian/Ubuntu) noch nicht hinbekommen. gnokii stürzt ab. gammu kann nur die Grund-AT-Befehle (Name und eine Telefonnummer), immerhin. obexftp funktioniert zwar generell, nur der Zugriff auf die Adressdaten geht nicht. Außerdem stürzt bisweilen die libusb ab. Multisync als SyncML-Empfänger unter Debian funktioniert nicht, weil die Library ein Symbol nicht findet und das Paket nicht mehr gepflegt zu werden scheint. Multisync unter Ubuntu bleibt mittendrin hängen (oder das Handy, Ursache noch nicht gefunden). Auch die sonstigen Tools unter KDE usw. kommen mit dem Handy nicht klar. kmobiletools funktioniert, aber das bringt nichts, weil es keine Synchronisation bietet.

Richtig gut funktioniert dagegen, daß Handy einfach als Festplatte zu mounten, man hat sofort Zugriff auf Bilder, Musik, Videos, Themes, gespeicherte Webseiten usw. Nur eben nicht auf die eigentlichen Handy-Daten wie Adressen, Kalender usw. Schade.

Schade auch, daß der Kalender keinen Zugriff auf WebDAV bzw. iCAL im Internet eingebaut hat. Das wäre auch nützlich gewesen.

Zugang zum Internet

Das Handy selbst kann brauchbar Web-Surfen, RSS-Feeds lesen und E-Mail holen, und zwar besser, als man es dem Winz-Bildschirm zutraut. Im Detail gibt es aber massive Schwächen: Der RSS-Reader kann kein Atom/RDF, E-Mails in 8859-15 werden gar nicht dargestellt, im SMTP gibt es Fehler, bei SSL kann man keine Zertifikate setzen. Der IMAP-Reader hat keinen Zugang zu anderen als dem Hauptfolder (INBOX). Beim E-Mail-Schreiben gibt es weder Cc noch Bcc.

Vom Rechner aus konnte ich Bluetooth noch nicht ausprobieren, weil bei den Debian/Ubuntu bluez-Paketen die Abfage der PIN nicht funktioniert und deshalb das Pairing nicht möglich ist (manchmal gehen mir die Macken bei Debian auch auf den Wecker). Dafür funktioniert USB (jedenfalls aus Linux-Sicht) sehr gut: Es taucht sofort /dev/ttyACM0 auf und bietet ein virtuelles Modem mit AT-Befehlen. Mit dem pppd drauf und los geht’s. Allerdings hab ich auch da häufig Handy-Abstürze, nach denen manchmal sogar das virtuelle Modem weg ist.

Es scheint noch eine schönere Variante zu geben: Kaum steckt man das Handy an den USB, taucht im Rechner das IP Interface usb0 auf. Viel hab ich damit noch nicht rumprobiert. Beim ersten Versuch kam da gar nichts, wie tot. Bei einem zweiten Versuch heute hat das Handy (!) auf DHCP-Anfragen reagiert und mir eine IP-Adresse mit default-route und zwei DNS-Servern (E-Plus) zugewiesen. Wäre das wirklich so, daß das Handy unter GRPS/UMTS einfach as IP-Device auftaucht und man keinen pppd mehr braucht, wäre wirklich toll.

Lästig auch, daß man für USB wieder völlig proprietäre Kabel braucht, auch wenn man dafür nicht mehr wie früher beim Nokia-Kabel mit Pegelwandler 99,- zu zahlen hat, sondern man die Kabel bei Ebay bulk für um die 4,- bekommt. Bei LIDL gibt’s gerade ein Motorola für 80,- das einfach einen ganz normalen Mini-USB-Stecker hat. Da braucht man keine proprietären Kabel mehr. So sollte das eigentlich sein.

Sonstiges
Einige der Features, die ich von Nokia gewohnt war (automatische Tastatursperre mit Code), fehlen, dafür gibt es andere. Von den Problemchen und Abstürzen, die einem ziemlich die Laune und den Nutzen des Geräts vermiesen können und hoffentlich bald abgestellt werden, macht das Gerät aber einen wesentlich offeneren und weniger proprietären Eindruck. Datenaustausch über SyncML, normale USB-Festplatten-API und ein USB-Internet-Device sind tolle Sachen. Und die Themes sind ganz normale Unix-tar-Files. Zwar behauptet Sony-Ericsson, daß nur Windows unterstützt wird, aber unter den Developern scheinen doch Linux-Freunde zu sein. Und das Nokia hatte auch einige Fehler, manche davon wurden nie ausgebessert. Während ich mit dem Nokia aber für ein Firmware-Update das Gerät im Handy-Laden für ne Stunde abgeben mußte und auf Fehler hinweisen, damit nicht ich, sondern Nokia dem Laden die Arbeit bezahlt, kann das K610i den Update selbst direkt übers Internet. Von den Online-Kosten mal abgesehen reicht ein Knopfdruck, und das Ding guckt bei Sony-Ericsson nach, ob es neue Firmware gibt. Feine Sache. Dafür erscheint es mir deutlich weniger stabil. Das Nokia 6230 und 6230i hab ich bedenkenlos in die hintere Hosentasche gestopft und mich draufgesetzt. Macht dem gar nichts, hat einen stabilen Rahmen. Das K610i macht einen zerbrechlicheren Plastik-Eindruck.

Ebenso ärgerlich, daß die Kamera-Linsen vorne und hinten völlig ungeschützt liegen und sofort verfetten/verschmutzen/verkratzen. Einen Schutzschieber hat erst das K800i, aber dann auch wieder so dick, daß er stört und von selbst aufgeht. Beim Nokia war das zwar auch nicht besser geschützt, aber dafür kann man beim Nokia mit einem paar Handgriffen und Kosten von etwa 20,- einfach die gesamte Außenhülle einschließlich verkratzer Display-Scheiben und Kamerafenster austauschen. Das hat seine Vorteile.

Also direkt glücklich bin ich nicht, aber was besseres/preisgünstigeres mit UMTS hab ich auch nicht gefunden. Nun denn, ich experimentiere weiter…

3 Kommentare (RSS-Feed)

Hadmut
11.11.2006 14:05
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Das mit dem IP-Device funktioniert prächtig:

Man konfiguriert einfach usb0 als DHCP-Device und los geht’s, der Rest kommt vom Handy. Man braucht kein Passwort, kein ppp, keine UMTS-AT-Befehle. Unter debian/ubuntu reicht z. B. der Eintrag

iface usb0 inet dhcp

Es scheint nur so zu sein, daß man das Device nicht automatisch und sofort hochfahren darf, sondern warten muß, bis das Handy mit dem Benutzer geklärt hat, ob es im Telefon- oder Festplattenmodus betrieben werden soll.


Hadmut
7.1.2007 1:58
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Ein Leser hat noch darauf hingewiesen, daß man das USB-Internet einschalten muß, bevor man es benutzt (jetzt, wo der das so sagt: Stimmt, das habe ich auch gemacht, aber vergessen):

Menü->Einstellungen->Verbindungen->USB->USB-Internet->Einschalten


[…] einfacher? Es wird da ja auch so etwas wie > usb0 angezeigt!?!? In den Kommentaren auf https://www.danisch.de/blog/2006/10/2…0i-umts-linux/ steht, dass (und wie) es mit usb0 einfacher geht. […]